mauerfarben
one through one, hindurchgeschaut, vorbei:
mauerfarben. es sind nicht fragen, die mich
quälen, es ist dies schweigen, das erinne-
rungen tonlos macht. film ohne farben: wo
gelebt und wann? 'warum' will niemand
fragen; ich, für meinen teil weiss: un-
romantisch war's, gewiss. coitus inter-
ruptus, siebter treffer: ich
one through one, vorbei geschaut, hindurch:
bitteschön, was bleibt, wenn auf den punkt
geschaut wird? ja. wir fragen lieber nicht;
zu deprimierend ist das leben aller nach-
barn, falls wir nicht weiter schaun, als
nur auf den moment, da sie die ausgangstür
des supermarkts passieren, elektrisch auf-
und zugeschoben, hinauskomplimentierend
ohne laut: die nächsten bitte! früher, ja
früher schwangen türen auf und zu mit
schellen oder glocken
one through one, angeschaut, selten, zu
selten, ja; sofern die fragen sich ver-
schweigen, fällt uns das schauen leichter
dran vorbei. es stellen sich die fragen
nicht - die wir vergessen, wie den ersten
blick, das erste zittern und den ersten
herbst, den wir begrüssten, als verein-
samende zeit - vorgegeben: wir müssen uns
ertauben. der morgen wirft den vorwurfs-
mantel über und besetzt das bad, der abend
zieht zurück sich in empfindlichkeit; es
ist ein vorurteil, dass nur die frauen
litten, an unpässlichkeiten aller art, an
sehnsucht, die in bitterkeit heranwächst
zum skorpion, der sich den stachel selbst
eintieft: ich werde alt und räche mich an
dir, geliebte
one through one, nun bin ich scheissenalt
und traue langsam mich, auch morgens in
die augen mir zu schaun; es hat doch seine
zeit gebraucht, bis ich gelernt, bis ich
verstanden habe, was trotz aller salti un-
veränderbar, auch nicht durch flucht in
wilde phantasien, durch namensgebung nicht
durch hingerückte ohren nicht, nicht andre
lebenslügen, nicht in vivo, jedenfalls: das
eigne sein. die nase, die der vaters gleicht
- verflucht, das alte stück! - verliert an
wirkung, irgendwann; ich mag sie, weil sie
nicht mehr wegzuwünschen ist. das klingt
banal? es ist. ich mag den grauen nachbarn
wie er durch türen schleppt, an seinen
tüten hängt, die stöckelsohle an der
strassenkante bricht - ich nehme seine
alltagsabenteuer als die meinen und freue
mich am altern deiner augen, die ich liebe
mehr und mehr ein wenig, glaube ich, auch
um des alterns wegen
foto: heidelberg, 30. januar 2005