„… und ich bin so nervös, wenn ich mir vorstelle
auf der bühne zu stehen … hast du mundharmo-
nika geübt? ich geb dir zwei monate … du musst
dir u_n_b_e_d_i_n_g_t mein neues lied anhören“
das buch liest sich auf den ersten seiten so müh-
sam, dass ich beschliesse, mich nicht weiter zu
quälen. zuklappen. ein schluck kaffee, schräger
blick zum nachbartisch, an dem eine frau auf ei-
ne zweite einspricht. „ich weiss gar nicht, was ich
anziehen soll. meine lackschühchen?“ sie hat ei-
nen asiatischen gesichtsschnitt, raucht in schnel-
len zügen, stösst ihre zigarette hektisch auf den
rand des aschenbechers. „… das schwarze kleid-
chen?“ längst habe ich begriffen, dass dies leben
besser ist als ein schlechter roman mit schlech-
ten rollen und schlechten dialogen. „ich möchte
nicht zu viele gecoverte sachen singen … meine
mammi hat sich voll gefreut“. ja, so klingt das
wohl, wenn girlies grösser werden, wenn sie ihre
weissen stiefelchen gegen spitze schwarze tau-
schen, wenn sie ihren alkohol selber bestellen
dürfen – und wenn sie’s tun. „dann kommen alle
nur um m_i_c_h zu sehen“. eine mischung aus
abscheu und dankbarkeit überfällt und über-
rascht mich. bin ich etwa neidisch? drei ampel-
phasen spiegeln draussen auf nassem asphalt
wieder. hinter der schwach beleuchteten scheibe
zu „peters treff“ sitzen unbewegte schemen an
einem hingedachten tresen, schräg darüber, im
zweiten stock, die silouette einer frau, eine lich-
terkette in ihr fenster klebend, notsignale ihrer
einsamkeit über den strassenwüsten dieser stadt
auch dort, denke ich, keine heimat. und: ich bin
neidisch – auf das grosse mass an kindlicher nai-
vität, die mir abhanden kam, zwischen den büh-
nen, in den pausen, zwischen dem geträumten
applaus und den nachbarschaften, die unaufhalt-
sam erwachsen wurden, fremd und vergessen
hi mf
als ich es las
schrie ein teil meines herzens auf
doch im gleichen atemzug
schlug mein dunkles ich gnadenlos zu
und wut flammte auf
wut auf wem – was -wie
wut auf die naivitaet
ihrer nav
die sich so leicht ver-/führen lässt
doch der schlag war nur kurz
kurz wie der schrei
es verstummte in mir
das mir welches gross ist wie das all
das all in dem die wut und der schrei verhallte
verhallte wie ein wort in der wueste
die wueste in der wir leben mf
gruss
xc