[ freispruch! ]

es war ein prozess, der ungewöhnlich endete: mit einem
freispruch. in seiner mündlichen urteilsbegründung würdig-
te amtsrichter wolf mein verhalten als „lobenswert“, meine
motive als „nachvollziehbar“ und „glaubwürdig“ – hingegen
die aussagen der gegen mich als zeugen aufgetretenen po-
lizisten als „widersprüchlich“ und „zweifelhaft“. gleichwohl
bewertete er den einsatz der polizisten als gerechtfertigt
und meine befürchtung eines gewalttätigen übergriffs (der
im prozess allerdings unüberhörbar bestätigt wurde) als
fehleinschätzung. er folgt meiner darstellung, eine verleum-
dung der polizisten habe nicht stattgefunden: „die aus-
sage, dass ‚die polizei schnell mal zuschlage‘ ist nicht zur
verleumdung einzelner personen geeignet, weil sie einen
viel zu grossen kreis umschreibt“

„in dubio pro reo“ begründete der richter abschliessend
seine entscheidung – und machte damit sein urteil gegen-
über der staatsanwaltschaft nahezu unanfechtbar

am ende hatten wir alles auf eine karte gesetzt. die zwei
polizisten hatten in der zeugenvernehmung ein jämmer-
liches bild abgegeben, der vorwurf der verleumdung („die
heidelberger polizei ist bekannt dafür, dass sie gern zu-
schlägt“) schien also vom tisch, aber es war unklar, wie
der richter meine äusserung „mir ist bekannt, dass die
polizei in solchen situationen gern mal zuschlägt“ bewer-
ten würde; es blieb nur der weg nach vorn

das filmreife plädoyer meines verteidigers° rief noch einmal
die widersprüche in den aussagen der polizeizeugen in er-
innerung, beschrieb, wie eine bedrängungsituation erst
durch das erscheinen der polizeikräfte entstanden war und
wie sie eskalierte, schlug den bogen zur alltäglichkeit ge-
walttätiger polizeilicher übergriffe – insbesondere gegen
mitglieder sogenannter gesellschaftlicher randgruppen –
und leitete daraus eine rechtfertigung für mein handeln ab

in meiner abschliessenden stellungnahme stellte ich die
normalität alltäglicher polizeiübergriffe gegen die notwen-
digkeit, hinzuschauen, einzugreifen, alltagsgewalt zu ver-
hindern – auch, um konsequenzen aus der deutschen ge-
schichte zu ziehen. ich beschrieb die notwendigkeit der
kontrolle staatlichen handelns, setzte soziales engagement
und zivilcourage gegen die versuche der einschüchterung
und beharrte darauf, in vergleichbaren situationen erneut
einzugreifen, um meinen lebensidealen eines gewaltlosen
miteinanders zu folgen: „ich lasse mich für das ideal von
gewaltlosigkeit nicht verurteilen“

° martin heiming (heidelberg)


7 Responses to “[ freispruch! ]”

  1. x sagt:

    das mit der torte kann man noch nachholen
    gruss
    x

  2. peryton sagt:

    @ x:

    ja, x., ich freu mich auch richtig doll. obwohl … eine vegane torte mit feile drin hätt ich von dir schon sehr gern bekommen …

  3. x sagt:

    nun war es ein obsieg
    doch wuenschen wir das es so immer geschehe
    was ich zu bezweifeln mag
    denn in der mehrheit ist der hang zu gewalt
    und geschichtlich hat der mensch selten was gelernt
    oder vielmehr wir vergessen schnell
    doch alledem freude über einen erfolg für dich
    gruss
    x

  4. hey georg!

    das nächste mal sag bescheid, wenn du ne gerichtsverhandlung hast, dann verlegen wir unsere nie zustande kommenden treffen praktischerweise einfach darauf. :-)

    ganz besonders liebe grüße an dich

    – die zur zeit ein wenig unsichtbare, unhörbare und insgesamt weniger wahrnehmbare konsensfabrik

  5. Hafenrocker sagt:

    Super Schorschi, dann werde ich die Feile mal wieder aus der Fleischpastete rauspulen. Mal im Ernst: Schön, daß es Leute wie Dich gibt.
    Grüße
    and „metal up your Ass“

  6. peryton sagt:

    @ hotz:

    hotz … hotz … hotz … nun fällt mir zu ‚hotz‘ leider gar nichts und niemand ein. sollte ich tatsächlich irgendwann irgendwo gefrühstückt und das bislang einzige und sicher unverwechselbare hotz meines lebens dennoch vergessen haben???

    (ich sorge mich um die morschende konstitution meines herzlosen verstandes)

  7. hotz sagt:

    sehr schön
    freue mich
    die welt braucht schorsche wie dich

    mal wieder frühstücken?

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