[ keine heimat? ]


 

dass in der teutschen linken zumeist nicht kapiert
wird, wie das ist mit den fronten und den freunden
und mit der historie und mit ‚links‘ und ‚rechts‘ und
so … sie haben halt allgemein schwierigkeiten mit
der theorie. was ja nicht schlimm wär‘, eigentlich;
würde das mit der praxis nur besser funktionieren

und würden sie nicht manchmal ganz fürchterlich
mit dem ‚freund und feind‘ durcheinander kommen
 

‚antideutsche‘ stehen nicht ‚links‘. sie werden von
denen, die sich selber gern ‚links‘ sehen, allzu gern
dort hingeliebt: ‚antideutsche‘ haben wenigstens
eine heimat, wo ‚uns linken‘ jegliche heimat aus-
getrieben wurde, damals – also im faschistischen
vorläufer dieser postfaschistischen republik. sie
wurde uns ersetzt durch ein anhaltendes, ein ver-
dammendes gefühl der schuld, einer verschwiegen-
en, unstillbaren sehnsucht nach räumlicher, sozia-
ler und gesellschaftlicher zugehörigkeit; aber eben
auch einer tiefen scham für das unfassbare han-
deln derer, zu denen wir uns nicht mehr zugehörig
fühlen können, fühlen dürfen: auf ewig heimatlos

die scham ist nach meiner einschätzung heute
noch angemessen und politische verpflichtung –
die schuldige sehnsucht aber ohne perspektive
 

meine heimat ist für mich gefühl. ist ein ort, an
dem ich bleiben will. meine heimat ist an vielen
orten. sie ist gefunden in menschen und gebun-
den an landschaften. heimat ist für mich kein
staat, ist keine schuld und keine übertragung

meine heimat hat keine grenzen, ist nicht gren-
zenlos. ganz sicher liegt meine heimat nicht im
deutschen, auch wenn ich meist in deutscher
sprache träume, spreche, denke. meine heimat
ist ein ort, der kritik verträgt und selber kritisiert

meine heimat ist liebe. ist unbequem. wünscht
und entzieht sich. heimat ist fern. heimat trägt
und erträgt. die heimat ist unbequem. heimat
kennt keller und schächte, kz und befreiung, ar-
beit, genuss, musse und drückende klebrigkeit
 

heimat spricht sich selbst. heimat nimmt auf, hei-
mat bleibt. heimat ist dort, wo ich nicht bin. hei-
mat liebt, blickt zurück, schickt fort. heimat ist
bedroht und bedrohlich. heimat ist süss, ist sper-
rig. entzieht sich. heimat kennt demut. heimat
ist herkunft und abgang. fluch, verfolgung, die
einzige liebe, letzte hoffnung, der grosse verrat

manchem ist sie alles, manchmal ist sie nichts
davon. heimat ist unbequem, immer wieder. ist
unfassbar, unbeschreibbar. ist zwang und opf-
ergabe. immer wieder krieg und flucht und fluch

heimat ist pathetisch, gefährlich pathetisch. ist
ein gegenstand. ein postkartenmotiv, aus dem
sperrmüllhaufen über die strasse geweht: deja
vu; nie wirklich gekannt und doch nie vergessen
 

meine heimat liegt weder im richtigen, noch im
besseren. meine heimat ist frei von religion, hat
manchmal ein geschlecht, lebt stets in den kul-
turen. sie ist erforscht und erfunden, erlogen
und erträumt, und einen moment lang fand ich
sie tatsächlich mittags in sommerhitze vor dem
centre pompidou, paris. so ist heimat immer per-
sönlich. und fremdbestimmt gibt es sie nirgends
 

foto: antideutsche müssen draussen bleiben?
31. oktober 2012


4 Responses to “[ keine heimat? ]”

  1. peryton sagt:

    danke, rahab, für deinen kommentar

    als erstes: dass ich nicht alleine bin, weiss ich; unabhängig davon wäre es mir egal. auch wenn ich ebenso bereits wie du mit diffamierung, ‚antisemitismuskeule‘, androhung körperlicher gewalt und – damit das antideutsche repressionsprogramm dann fast komplett ist – darüber hinaus den obskuren vorwurf des „täterschützers“ eingehandelt habe: die erschrecken mich nicht

    in meinem artikel stehen nicht wirklich die ‚antideutschen‘ politaufbläser an erster stelle, sondern die frage, wie es dazu kommen kann, dass solchen schwätzern soviel aufmerksamkeit geschenkt wird. meine (oben wortreiche) antwort hier verkürzt: die heimatsehnsüchtige verklemmtheit der ‚linken‘

    darüber wurde bisher, nach meiner einschätzung, kaum gesprochen – über das phänomen der ‚antideutschen‘ schon. daher zum nachlesen ein einsamer link im text. wer will, kann sich weiter informieren – und ist mit meinem beitrag vielleicht motiviert(er), dies zu tun

    mein artikel ist eh schon verdammt lang. die aufnahmebereitschaft ist in der neuen twitter-welt auf wenige sätze beschränkt. das gros der werten leserInnenschaft kann bereits die hürde des zweiten absatzes nicht (mehr) nehmen

    so verstehe ich deine inhaltliche kritik gut, verweise jedoch auf meinen anders gelegten fokus und darauf, dass informationen über ‚antideutsche‘ sowohl von meiner als auch von anderer seite in ausreichendem masse extern zur verfügung stehen

    als letztes: das schild ist irgendeine linksbürgerliche aktion gegen … hahaha! … neonazis. ich habe es zufällig in die hand bekommen, einen gelben aufkleber drüber gemacht und etwa 2 (noch einmal in worten: ZWEI) stunden lang in einer kneipe hinter den tresen gestellt, allerdings ohne dazu autorisiert gewesen zu sein. als es an diesem vorgehen kritik gab, nahm ich es sofort weg; klar. für mich war das eh ein witz, teil meiner alltagssatire … zum glück, allerdings, machte ich noch ein foto davon. vor etwa einer woche fanden sich ein paar ortsansässige ‚antideutsche‘ an meinem arbeitsplatz ein um, so vermute ich, zu provozieren. sehr interessant, diese tatsache, denn zwischen schildaufstellen und heute liegen fast drei monate. bleibt erstens die frage, was diesen popeln gerade wieder auf den nägeln brennt (brauchen sie neue aufmerksamkeit?) und zweitens war damit für mich der anlass gegeben, diesen blog-eintrag über das unverhältnis der ‚linken‘ zu ihrer ‚heimat‘ zu schreiben, der längst schon fällig war

    die ‚antideutschen‘, rahab, sind nicht wirklich das problem; die reaktion der reaktionären linken auf ‚antideutsche‘ interventionen ist es (… und linker sexismus, linkes mackertum, uniformität, gewaltbereitschaft, abnehmender geschichtsbezug, …) kurz: bildungsrückbau frisst opposition

    so, rahab. normalerweise antworte ich nur sparsam auf kommentare … dir einen guten weg!

    peryton

    ps: ich mag ja eigentlich keine musik; dein youtube-link hat mich allerdings seeeehr erfreut. dankeschön!

  2. Rahab sagt:

    Zunächst einmal vorweg: Danke für diesen Text, der sich inhaltlich mit der wohl wichtigsten politischen Frage unserer Zeit beschäftigt. Es handelt sich ja fast schon um ein Tabuthema. Ich selbst habe mich auch schon an einer Thematisierung versucht. Das Ergebnis war: Diffamierung, Antisemitismuskeule und Androhung körperlicher Gewalt.

    Leider komme ich nicht umher diesen Text auch ein wenig zu kritisieren. Ross und Reiter werden leider nicht konsequent genug genannt und an entscheidenen Stellen bleibt er zu schwammig. Aus meiner Erfahrung ist es am effektivsten den Antideutschen (Neonazis) ganz explizit den Spiegel vorzuhalten. Angeblich lehnen die Antideutschen (Neonazis) die unsägliche NS-Herrschaft in aller Konsequenz ab. Auf der anderen Seite schrecken dieselben Akteure nicht davor zurück sich mit einem Terrorstaat zu solidarisieren, welcher Menschen in Gaza in einem Lager zusammengepfercht sehenden Auges qualvoll verhungern läßt. Das nenne ich entlarvende Doppelmoral!

    Besondere Kritik gilt unserer Bundesherrschaft, welche in nicht unerheblich finanziellen Maß (Milliarden jährlich) wegen des allgemeinen Schuldkults diesen Terrorstaat aufrecht erhält und auch noch willig Kriegsgerät dorthin verschenkt!

    Auch wenn Dein Text mir inhaltlich nicht weit genug geht, finde ich ihn sehr mutig! Du bist nicht alleine!

    http://www.youtube.com/watch?v=ElzvWQhMyGI

    P.s: gibt es das Schild irgendwo zu kaufen?

  3. peryton sagt:

    wie soll ich damit umgehen, jonas, dass du dich mit einer email-adresse identifizierst, die dir nicht gehört? und eine ip-adresse angibst, die nicht deine eigene ist?
    was an meinem text soll es also sein, was dir ‚aus dem herzen spricht‘ und was ist, wozu du dich hier traust?
    falls du das immer noch nicht verstanden haben solltest: in diesem blog wird weder nazi-scheisse befördert, noch veröffentlicht!

    wenn du an dieser stelle einen sinnvollen und passenden beitrag hast, dann trau dich das unter deinem richtigen namen – oder schreibe besser gleich dort, wo das dir ‚aus dem herzen sprechende‘ auch hingehört. hier ist wohl nicht der richtige ort

  4. Jonas sagt:

    Eins sehr guter Text! Deine Aussagen sprechen mir echt aus dem Herzen! Du hättest allerdings … [inhalt von peryton editiert] … Das trauen sich leider die Wenigsten!

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