am ende also werden eure bemühungen aufge-
rechnet um die deutung meiner träume, bis sie
keine spur mehr aufwiesen, bis die farben eure
und eben falsche farben waren, bis ich blind
war für das eigene bild und taub gegen die in-
neren stimmen. beinahe, jedenfalls, wäre euch
all dies gelungen. aber wieviel zeit habt ihr ge-
braucht, aufgewendet, eingesetzt bis die mau-
erfugen glattgestrichen waren mit dem lehm
eurer worte und mit mörderischen schlägen?
am ende, eben, wird abgerechnet, nicht wahr?
ja, ihr seid die kinder einer besonderen zeit, ich
weiss das wohl, einer zeit, die den belehrenden
zeigefinger der geschichte voran getragen be-
kommt, einer vergangenheit, aus der wir alle ge-
lernt haben wollen oder sollen, heute. nur: was?
in neuen träumen kippe ich heute eure grab-
steine zur seite, reisse ich mit den umstürzen-
den sockeln die erde eurer grabesruhe auf, ich
bringe mein entsetzen, meine wut ans licht, in
eure alltagsruhe, bringe die unstimmigkeiten
jener jahre nach oben, die nie aufgehört haben
in mir zu singen, zu sprechen, in mir zu schrein
und in trotzenden farben schreibe ich auf die
gestürzten steine „ihr seid nicht besser gewe-
sen als all eure nachbarn“ und „kinderschänder“
und „liebe ist weniger schmerzvoll als ein fres-
sender tod“; schreibe ich in der hoffnung, dass
meine wut kleiner wird mit dem ausatmen da-
nach und mit dem aufschrei der anderen, die
sich gestört fühlen werden und die moral anru-
fen werden oder das gesetz; all das zählt mir
nichts
ich habe euch die roten korrekturstifte meiner
kindheit aus den händen genommen, habe auf-
gehört zu schweigen, ich habe hören gelernt
und hinschauen, selbst wenn das weh tat. und
ja, ja, ich habe sogar irgendwann lieben gelernt
am ende also werden eure bemühungen aufge-
rechnet um die deutung meiner träume, damals
am ende also sage ich euch, dass keine rech-
nung mehr offen ist, von meiner seite, dass ich
euch nichts schuldig bin, dass ich das mir zuste-
hende nie in dem masse bekommen habe wie
es angemessen gewesen wäre; aber dass ich
euch die schulden erlasse, weil ihr doch nur die
schrecklichen kinder schrecklicher zeiten gewe-
sen seid: auf ewig fort und niemandes vorbild
hört ihr? auf ewig fort, niemandes vorbild – und
verachtung zu spüren ist mir durchaus erlaubt
hi g
nun sitz ich hier in w in ö
weg von allem, was mich stört
auf dem weg zum … zu was?
hinter mir nichts, vor mir nichts
ach, es ist schwerer als gedacht
doch wenn ich an alles
was mich umgab, denke
ist die wut wieder da um zu gehn
ach mein freund
könntest du hier sein und sagen
was ich tun soll
doch so ist es wie immer
immer muss ich entscheiden
wo ich nicht entscheiden will
was will ich
hmm – ich weiss es nicht
oder doch
ich möchte nicht wie bisher
aber so wie jetzt auch nicht
oder doch
eigentlich will ich nur meine ruhe
nicht immer das gefühl haben
allem gerecht zu werden
und immer gangbar sein
gruss
xc (auf der flucht)
ps habe keine mail mehr
habe alles abgeschafft