[ gerade darum und jetzt ]

Juni 12th, 2010

wenn du in deinem boot gegen die stachel-
drahtbewehrten grenzen treibst, gegen sie
getrieben wirst, glaub mir, du wirst zum ken-
tern gebracht, so oder so, die stürme oder
die schläge werden es sein, oder der stachel-
draht fängt dich ein, so oder so. wahrschein-
lich muss es gerade darum und jetzt so sein


[ nebel steigt ]

Juni 11th, 2010


 

du kannst nicht verstehen, wann mir die
welt stehenbleibt, wann sie einfriert und
schweigt. dann schweigt es aus mir her-
aus. abend. der horizont ist nah und ein
nebelband steigt. das rührt mich; das be-
rührt mich nicht. es steht und schweigt
 

foto: neoviel, 05. juni 2010
copyrights: neoviel © 2010


[ feuer im kopf ]

Juni 10th, 2010


 

… dann geht ein strich durchs bild;
du siehst einfach nichts mehr. feuer
im kopf. ein strich durch die asche
 

foto: kiel, 05. juni 2010


[ wir reden über das private ]

Juni 9th, 2010

wir reden und wir hören nicht
wir reden in fremden worten
wir reden über die anderen

wir reden über gewalt wie über das wetter
wir reden über die grauzonen des lebens
und ihre undurchdringlichen schatten

wir reden nicht vom augenaufschlag und
von den atemlosen pausen ohne sprache
wir reden nicht über das private

wir reden über politik



[ momentaufnahme ]

Juni 8th, 2010


endlich ist die katastrophe da, sage ich und falte
die zeitung zusammen, was heute kein geräusch
mehr macht wie das zeitungenauspapierzusam-
menfalten, sondern man klickt sie weg mit dem ge-
räusch einer wanze, die ein deutscher soldat vor
stalingrad auf seiner rastlosen suche durch die
nacht zerquetscht: ich töte, also leb ich noch


endlich ist die katastrophe da, die das öl an eure
ufer schlagen lässt, unaufhaltsam, mit feuer und
mit grossen staubsaugern seid ihr vergebens be-
müht, abzuwehren, was euch reich gemacht hat
und gross, was euch ernährt und andere erstickt
hat, was euch nun erstickend entgegenschlägt, ent-
gegendrückt, langsam, träge, unaufhaltsam gegen
die augenlose, betende heimat: es ist zum speien


aber nun, endlich, ist die katastrophe da. nun
hättet ihr die möglichkeit, euch nicht weiter be-
lügen zu lassen, in eine sicherheit wiegen zu las-
sen, die tragfähig ist wie ein dünner moosrasen
über dem moor, über einem sich schweigend er-
innernden moor, das seit jahrtausenden aufge-
wachsen ist, nachtragend anwächst gegen alle
versuche trockengelegt zu werden, gebrannt, ge-
stochen, ausgeplündert zu werden, das tückische
moosrasen auslegt, in denen die versinken, die
vergessen haben, wo die gangbaren wege waren


endlich ist die katastrophe da, sage ich und klicke
mit dem wanzenzerdrückgeräusch die katastro-
phenmeldung weg; eine momentaufnahme ist im
kopf geblieben. eine momentaufnahme von ölbe-
deckten wellen. eine momentaufnahme von irgend-
wo an einem fremden ufer, das mich nicht interes-
siert. irgendwo ist weit genug weg, weil es weit
weg ist, weil es nicht mein ufer ist und nicht mein
ufer sein soll, darum interessiert es mich nicht, in
der hoffnung, dass es weit weg, weit genug weg
ist und dass einzig die anderen dummen dumm
dran sind. nur eine momentaufnahme ist geblieben


momentaufnahmen sind unser leben, so wie deines
und meines, so wie wir uns immer wieder begegnet
sind und wie wir uns immer wieder neu begegnen:
klick und weg und das öl auf den wellen


aber endlich ist die katastrophe da, sage ich und
schreibe sätze über … über … ereignisse, die mor-
gen klein sind und übermorgen vergessen. ja. licht
aus, einschlafen. ja. morgen wird ein guter tag

[ alle farben ]

Mai 31st, 2010


 

alle farben des lebens lassen wir ausspielen. alle
farben, zwölf, dreizehn, vierzehn in die zahlen-
kästchen, akurat an die grenzen heran; in feinen
pinselborsten spricht zu uns eine fremde sprache

alle farben brechen auf in nächten, gären träumend
auf zu bitterem met, brechen in tränen aus, die wir
vergessen bis zum morgen, schmerzvoll ausgerieben

alle farben finden sich im schwarz deiner augen

wir legen alte zöpfe auf unsere altäre, lassen rauch
aufsteigen; beissend schwarzer rauch und der ge-
ruch brennenden fleisches. erinnerst du dich? nein
 

stopp, sagst du, komm zurück. und: wach auf
 

foto: alle farben
kiel, 31. mai 2010


[ peryton und albino beziehen stellung ]

Mai 29th, 2010

die für den 22. und 23. mai 2010 geplanten „tier-
befreiungstage kiel“ wurden nach geschickter in-
tervention einer antideutschen gruppe abgesagt

peryton und albino meldeten sich daraufhin zu
wort, zertraten beherzt alle politischen fettnäpf-
chen und lösten hochemotionale reaktionen aus
 

einige auszüge aus unserer stellungnahme:

„wir werden an dieser stelle nicht die behauptungen
der antideutschen gruppe ‚marlenehatesgermany‘
wiederholen, die auf einer jahre zurückliegenden
vergewaltigungsdebatte aufsetzt, die – unserer ein-
schätzung nach – aufgrund politischer (macht-) in-
teressen bis heute aufrecht erhalten wird. diskrimi-
nierung ist in linken kreisen leider ein ebenso beliebtes
wie wirksames mittel, um missliebige politische ‚kon-
kurrenz‘ zu schwächen“

 


„die klare politische position und jahrzehntelange
arbeit der tan ist nach unserer einschätzung für die
linke szene unverzichtbar. aufgrund unserer politischen
erfahrung mit einzelnen personen der tan möchten wir
betonen, dass die angriffe gegen sie ungerechtfertigt
sind und erklären hiermit unsere ungeteilte solidarität“

 


„warum aber eine handvoll antideutscher aus kiel
überhaupt ernst genommen wird, deren grössen-
wahn schon in ihrem programmatischen namen zu
lesen ist, das fällt uns schwer zu verstehen. ‚marlene
hasst deutschland‘. ja, und? nicht weiter interessant
eigentlich, ausser wenn bekannt ist, dass ‚marlene‘
auf autoritäres steht, bevorzugt bei mc donald’s dick
wird, militaristisch ist und also – was modern und
wiederum stramm in deutscher tradition steht – frie-
den nicht mag, weil sie lieber kriege führt und endlich
schamlos mit rassisten kuschelt, wenn es die eigene
macht stärkt…“

 

„den kieler tierrechtskongress im mai 2010 unter
ausschluss der tan durchzuführen gäbe falsche poli-
tische signale. nein, wir distanzieren uns nicht und
lassen unsere bewegung nicht aufspalten. repressio-
nen sind weder von staatlicher seite noch von seiten
neokonservativer gruppierungen hinnehmbar
 
kein fussbreit den faschisten! kein fussbreit den
antideutschen!“

 

berichte über die weiteren folgen werden nach-
gereicht, sofern sie mir berichtenswert scheinen
 

fürs archiv:
[ stellungnahme peryton & albino ]
[ stellungnahme albino & peryton ]


[ restart ]

Mai 29th, 2010

wer sagt, ich könne nicht lange schweigen, hat
recht. auch diesmal. es wird also weitergehen

weil die dinge es notwendig machen. weil die
freunde meine ätzenden kommentare nicht mehr
ertragen wollen; ich sei unausgelastet, sagen sie

weil die zeit drängt – mich und dich – zum reden

ja, wenigstens dazu


[ blog-out ]

Januar 2nd, 2010

dieses „tagebuch“ war jenen freundInnen mei-
ner musik geschuldet, die länger ein mehr an
geschichten erzählungen, notizen, kurzen be-
trachtungen gefordert hatten, die den prozess
verständlich machen sollten, warum, wie und
wann meine kunst entsteht; besser: entstand

so hab ich’s erschöpfend versucht, viereinhalb
jahre lang. wer lust hat nachzulesen, kann dies
in 1030 beiträgen mit 1227 kommentaren tun
 

heute also das mahnende wort an mich selbst:

peryton, du hast dich ausgeschüttet bis zur
stille, du bist unendlich müde. halt dein maul

 

richtig; der weg ist gegangen. adieu, ihr lieben!

[ an jenen orten ]

Dezember 22nd, 2009

es sind jene kargen orte, an denen
erinnerungen abgelegt sind wie kalte
steine, wie kalte steine abgelegt
und aufgetürmt zu lawinentürmen
 

es sind die bunten orte, an denen
wünsche abgelegt sind wie samen
und herangewachsen zu blumen-
wüsten, waldmeeren; in wellen
wuchern sie über unsere gräben hin

: mein und dein amazonien
 

es sind die dunklen orte, an denen
unsere schatten liegen, klein, ganz
klein, auf den ersten glanz des
morgenrubins wartend um aufzu-
glühen, um auseinanderzuwehen

wie das universum, um auseinander-
zuplatzen wie ein komet; wie der er-
ste komet in deinem leben: grösser
als deine angst und dein ‚ah‘ und dein
‚oh‘ und jedes ‚wünsch-dir-was‘
 

es sind jene warmen orte, an denen
ich bleiben mag, an denen ich meine
träume hinlegen will, betten will neben
alten wünschen; wo erinnerungen aus
den gräbern wachsen neben azaleen

und – nicht zu vergessen – das immergrün


[ stilleben ]

Dezember 11th, 2009


 

wie buchstabiere ich heute ’notwendigkeiten‘?
endlich ankommen, (m)ein stilleres leben leben

keine sorge; nicht so, nicht so, so, auch so nicht
 

foto: stilleben
kiel, 04. november 2009


[ darum ]

Dezember 10th, 2009

darum werde ich dir nur meine zeit schenken, fern-
ab von konsum, fernab vom goldrausch in und auf
den märkten, fernab von falschem jubel, zwang
und plastikhalleluja und geldgutscheingeschenken

ich mag das alles nicht; es macht mir einen kal-
ten grusel. es macht mich gleichgültig gegen
die signale eines glücks, das mir fremd, das mir
unheimlich, ja, unverständlich bleibt, zum glück


[ bitte keine weihnachtsgrüsse! ]

Dezember 9th, 2009

jetzt schieben sie sich wieder durch die geschäf-
te, warenregalegassen, gitterwagen hauteng ne-
ben gitterwagen, einkaufskettenkletten, arsch an
rücken, auge an po, der blick verzweifelt suchen-
der, rastlos, hungernd und geil, pleite, am ende:

die tüten voll, die armen auch, die busse quellen
über und könnten die lichterketten weinen, wäre
dies laut die traurigste zeit: vom himmel hoch, ad-
vent, advent, ein lichtlein brennt. verdammt, das
jesulein liegt bei esulein, nackend, das elende teil
 

bescherung wie üblich, ausser, oma ist inzwi-
schen gestorben. küchengerüche nach gehalts-
klasse, kurzarbeiter lieben es eher fettig; vertrock-
nete tanten trinken tee, pastoren salbungsvoll
den wein, das heilige bier wird pünktlich entkront

püppi muss nachher immer bei papa oder onkel
auf dem schoss sitzen, so!, sich dankbar zeigen
sonst setzt’s was, die kinder schauen dem flack-
ern elektrischer kerzen zu, fliehen in träume vom
erwachsenwerden. wenn wir mal gross sind …
 

das vergessen ist mächtig wie die angst vor papa
und mama und gott und alleingelassensein; es
kommt meistens nichts anderes raus als das glei-
che alte elend: die weihnachtslüge vom glück und
dass es doch zuhause immer am schönsten sei


[ ins gras beissen ]

Dezember 4th, 2009

spatentief liegt der lehm, schmatzend beisst das
werkzeug ins gras, so schwer kann wasser wie-
gen, halten, bis es sich bewegt. dann – endlich –
zieht es ab, dann fällt der pegel unter flur, dann
fällt der sumpf trocken, der über jahre wie einge-
gossen stand, eine schlechte angewohntheit, da-
gelassen, trotz allem, weil eben immer schon und
 

unter dem gleissenden mond heulen bären. oder
es ist der wind in den drähten, die schwingen
noch vom abschied der krähen her; auch die: fort
 

wenn der schmerz nachgelassen hat, eine alte
weisheit ist das, ist er bald vergeben; was leicht
wie erlösung klingt birgt doch gefahr. vergessen
 

in den nächten kaue ich die zeiten durch wie ein
fremdes alphabet zum klopfenden rhythmus eines
taktstocks und weine die erinnerungen tonlos aus


[ hände ]

November 21st, 2009


 

es gäbe viel zu erzählen, es gäbe viel offen-
zulegen; doch viel zu halten gäbe es auch

was sagst du?

loszulassen, meinte ich, gäbe es, laut, leise
 

foto: hände
leipzig, 16. november 2009


[ scheinbar. 3 ]

November 20th, 2009


 

foto: leipzig, 15. november 2009


[ scheinbar. 2 ]

November 19th, 2009


 

foto: leipzig, 15. november 2009


[ scheinbar. 1 ]

November 18th, 2009


 

foto: leipzig, 15. november 2009


[ konzert: tangermünde, 13.11.2009 ]

November 10th, 2009

freitag, 13. november 2009
„konzertlesung“
zecherei sankt nikolai
lange strasse 1, 39590 tangermünde
( google maps )
beginn: 20:00 uhr

[ strandpiraten ]

November 6th, 2009

das blei alter geschichten liegt noch auf
deinen lidern, doch spielen vogelstimmen in
deinem haar und der wind spricht im rohr
wie das meer zärtlich in den muscheln

lege dich nun her an meine seite, weine
noch einmal um alles verlorene, kind, bis
die ebbe einsetzt, bis die riffe aufgestiegen
sind, bis der wind kühl vom land her weht
 

wenn unsere feuer ins verderben lenken
rauben wir den schlaf der anderen, so
wie wir es von den eltern her kannten
 

doch es werden vogelstimmen spielen in
deinem haar und zärtlich werden wir zu-
einander sein, wie an jedem morgen, bis

wir ein boot bauen aus den zerschollenen
bis wir mit der flut hinaus, einem ufer ent-
gegen oder untergehn, vielleicht, endlich
 

dann sprengst du die knospenschuppen über
deinen blüten auf, dann streust du nektar-
düfte über deine inseln und der wind spricht
im rohr wie das meer zärtlich in den muscheln

und dann, vielleicht, werden wir frei sein