[ münchen, dresden & the christi heavensgates ]

Februar 14th, 2005

– oder – [ the last days ]

deeskalation durch stärke„, das heisst: viertausend staatlich geprüfte gewalttäterInnen hauen ohne hemmung – aber auf befehl – jenen aufs maul, die demonstrieren wollen gegen die sogenannte ’sicherheitskonferenz‘. es kamen achttausend, um sich schlagen zu lassen, mit beispielloser brutalität, so wird gesagt. so wird es gesagt, weil vermutlich schon vergessen ist, was nicht nur in münchen normal

aufmarsch von fünftausend neonazis in dresden. phönix präsentiert mit neuem stolz sein braunes gefieder. auferstanden, aus der asche, ist er wieder zuhause

… während im entlaubten central park unter duschvorhängen flaniert wird: plaste-kunstgenuss nach christo-art. ein flop in agent orange


[ … ]

Februar 13th, 2005

schnee schlägt vertikal die stadt
morgen-, mittag-, abendwintergrau
dass ich lauter heule als der wind: nicht

das kann nicht mein zuhause sein. und doch
bin ich noch immer nicht geflohen, noch
so warte ich auf antwort, könnte sagen: hoffend
bitte; aber er schlägt vertikal, der schnee

die panther schweigen schwarz, gerollt
verborgen. ich weiss nicht
wo ich suchen kann, noch was


[ rosenhöhe III ]

Februar 10th, 2005

gegen die wühlnasen der wilden schweine
bitten sie die pforten geschlossen zu halten; aber
ich kann sie verstehen: diese gebügelte ordnung
ist nicht zu ertragen

(darmstadt, 13. oktober 2004)


[ an diesem tag ]

Februar 9th, 2005

alle worte sind gesprochen, an einem
solchen tag, alle melodien verebbt, den
bleichen wolkenwimpeln gleich, dem
wintersonnenlicht, sind leergesungen
wie die letzten amseln, sind fortgezogen
mit den krähen fort, gen nord
sind ausgetauscht, verstummt

es flüstert, kommt zum schweigen, was
gelebt, gelacht, es fällt in grauen kreiseln
zwischen pflastersteine, es steht in schat-
ten, wandert um die ecken, mit der uhr, es
weint sich warm, es weint sich tränenleer
an einem solchen tag, ausgetränt, ver-
stummt

der mond ist fort, schlägt einen garderoben-
haken durch das all, an dem dein blick verlo-
ren hin, vor jahren schon, erwacht und nach-
gesonnen, wie es klang, wie es sang, wohin
es ging, was nie gewesen war und doch, und
doch: ausgelauscht, verstummt

alle worte sind in solcher nacht gesprochen
ausgegossen, ausgeklungen, ausgeweint
vergessen

erst wenn dies lied sich selber singt, kann
ich zufrieden sein. der wandel wandelt sich
wie je; es ist so abgedroschen, doch es
kommt, es muss der tag – bei licht besehen –
muss der tag entscheiden

es muss der tag entscheiden, ob die nacht
zuende ist, besiegt, denn erst wenn dieses
lied sich selber singt, kann ich zufrieden sein
kann ich zufrieden sein

wenn alle worte aussprochen, ausgegossen
sind ausgeklungen, ausgeweint, vergessen
und befreit

dann kann ich bleiben

nachtrag (14. februar 2005)

am vergangenen samstag (12. februar) spielten wir
in den ‚raisdorfer honky-studios‘ diesen text
unter dem titel ‚dann kann ich bleiben‘ ein


[ unerwünschter gast ]

Februar 8th, 2005

manche webseite sollte ich besser nicht besuchen. gestern: ‚vegan-central‘. in der mitte der startseite prangt einer jener unhistorischen holocaust-vergleiche, die die tierrechtsarbeit in der letzten zeit mindestens ebenso stark belastet haben, wie die offene integration der totalitären sekte ‚universelles leben‘ in vorgeblich linken tierbefreiungs- und tierschutzstrukturen. natürlich reizte das zu einem eintrag in das gästebuch … der natürlich nicht freigeschaltet wurde. auf meine nachfrage hin wurde im gästebuch öffentlich als grund genannt, es sein „geistiger Zustand, der aufgrund seiner unendlichen Armseeligkeit und Dummheit nicht mit unseren Richtlinien harmonierte“

mein ‚dankeschön‘ an dich, „Frank aus Eisenach“ für diese mutige äusserung. sie kommt eben immer wieder farbig daher, die sprache der weisen … °

zum inkenntnissetzen der mitlesenden nachfolgend mein bei ‚vegan-central‘ zensierter gästebucheintrag

soso, ihr macht also tatsächlich schamlos weiter mit eurer unterstützung des ‚kz-vergleichs‘ der unsäglichen peta-kampagne „der holocaust auf ihrem teller“?

ich bin verblüfft, wie beharrlich ihr seid: die vielfältige kritik an dieser kampagne, die kritik der linken, antfaschistisch ausgerichteten tierrechtlerInnen (doch doch, es gibt davon welche!) ist also an euch ohne die spur einer einsicht vorübergegangen

ein direktlink auf eurer startseite führt zu ‚massenvernichtung.info‘ und dort lese ich „Kritiker der PETA-Ausstellung sind sich darin einig, dass Tierrechtsthemen in der Sache selbst gerechtfertigt sind und dass auch die Kampagne als solche ‚legitim‘ und ‚gerechtfertigt‘ ist“

nein, dem widerspreche ich entschieden: ich bin einer jener kritikerInnen, die am entstehen des peta-kritischen textes beteiligt waren; an dieser kampagne ist nichts ‚legitim‘ und nichts ‚gerechtfertigt‘

diese kampagne stellt keinen beitrag zu einer sinnvollen, auch für aussenstehende nachvollziehbaren tierrechtsdebatte dar; sie ist eine form kontraproduktiver polemik, die historische bezüge in gefährlicher weise verwischt

die peta-kampagne und die form der (auch eurer!) unterstützung brachte die sogenannte tierrechtsszene erneut in den geruch, politisch rechts orientiert zu sein. auch ich unterstelle der peta-kampagne „der holocaust auf ihrem teller“ und ihren beharrlichen unterstützerinnen eine derartige politische nähe – abgeleitet allein schon aus der tatsache, wie in den genannten kreisen mit kritik umgegangen wurde

so lange sich eine totalitäre sekte (gemeint: ‚universelles leben‘) sowie ‚rechte‘ ungehemmt, von euch unangegriffen als ‚tierrechtlerInnen‘ bezeichnen dürfen, bleibt den antihierarchischen linken leider noch viel schmutz- und aufklärungsarbeit, bis alle begrifflichkeiten neu geklärt, die definitorischen grenzen neu gezogen sind, bis effektive tierrechtsarbeit wieder möglich wird

[ postscriptum: ‚armseeligkeit‘ ]
dieses ps ist nur für dich, du ‚frank aus eisenach‘

natürlich habe ich mich fast eingenässt, als ich deine ‚armseeligkeit‘ lesen durfte – das liegt sprachlich quasi auf der hand. sobald ich wieder zu normalen handlungen in der lage war, die tränen getrocknet, habe ich ein wenig ‚gegoogelt‘, um nachzuschaun, was deiner wortwahl kameradInnen so schreiben … und siehe da, haha! aber ich gestehe, das folgende zitat ist unfair, tendenziös, unter der gürtellinie, pfui, sozusagen, ich weiss: einfach gemein

„Richie88 schrieb am 18.04.2004 14:51
stellt euch vor das is mein Gebutsjahr!Ja ich bin ein fast sechzehnjähriger Realist,der euch zeigt dass ihr nich mit der wahrheit umgehen könnt!Ich habe keinerlei rechtsradikale absichten,aber da sieht man mal wieder eure armseeligkeit! Schwach dieser Versuch von den eigenen Dummheiten abzulenken!“

… nicht wahr? du hast es nicht verstanden?

eh klar


[ ne tirez pas! ]

Februar 7th, 2005

– oder – [ kampagne ‚aubonne-brücke‘ – der kampf geht weiter ]

sie gehen in die nächste runde, die juristischen auseinandersetzungen um die strassenblockade bei aubonne, bei der im juni 2003, im rahmen der kämpfe um den sogenannten g8-gipfel in evian durch das vorgehen der polizei ein gewaltfreier aktivist lebensgefährlich verletzt wurde, eine aktivistin in todesgefahr geriet

[ musik-link peryton: ’ne tirez pas!‘ ]

martin shaw und gesine wenzel erheben einspruch gegen das gebaren des untersuchungsrichters, der das verhalten der polizei herunterspielte. sie fordern in ihrem 23 seiten langen einspruch u.a. disziplinarmassnahmen gegen die beteiligten polizisten, schadensersatz für die erlittenen leiden, eine weitere untersuchung und politische konsequenzen aus dem generellen anstieg der repression gegen politisch oppositionelle

das gericht akzeptierte ihre berufung und widerrief die entscheidung des untersuchungsrichters jacques antenen. der zu dem urteil gekommen war, dass eine anklage der polizei nicht begründbar sei, die schuld für den vorfall läge allein in der waghalsigkeit der aktivistInnen. das tribunal d’accusation du canton de vaud hat nun jedoch erklärt, dass die untersuchung „ausreichend beweise für eine gerechtfertigte anklage“ auf fahrlässiger leichter und schwerer körperverletzung gegen michael deiss und claude poget gebracht hätte

bisher war nur gegen m. deiss, den schaffhausener polizisten, der das seil durchgeschnitten hatte, eine strafrechtliche untersuchung eingeleitet worden. nun würdigte das gericht die bedenken der aktivistInnen und erklärte, claude poget, der einsatzleiter auf der brücke „hätte eigentlich als belastet verhört werden müssen.“

die aktivisten bleiben skeptisch. „wir sind natürlich sehr zufrieden mit dieser entscheidung, aber wir bezweifeln, dass das justizsystem wirklich versucht, die wahrheit herauszufinden“, so martin shaw

der abgeordnete des kantonsparlaments yvan rytz reichte eine parlamentarische anfrage an die regierung des kantons waadt ein. er erklärt:“ die regierung kann sich ihrer verantwortung in diesem fall nicht entziehen. der einsatzleiter auf der brücke missachtete offizielle anordnungen und es ist pflicht der regierung, dieses versagen zu ahnden. zudem müssen sie uns darüber in kenntnis setzen, inwiefern die polizei in bezug auf verschiedene formen von protest ausgebildet wird. für uns ist offensichtlich, dass shaw und wenzel durch unsere polizei schweres leid zugefügt wurde und dass ein klares anrecht auf schadenersatz besteht.“ 29 parlamentarierInnen verschiedener parteien unterstützen diesen schritt offen mit ihrer unterschrift

(quelle)


[ dear edmund haferbeck … ]

Februar 6th, 2005

– oder – [ ‚beileid‘ zum politischen ableben eines ex-linken ]
 


unter dem betreff ‚kondolenz-anfrage‘ schickte ich am
01. februar 2005 folgende email an den in der deutschen
tierschutz- und tierrechtsszene aktiven und bekannten
‚rechtsberater‘ edmund haferbeck, in der ich ihn um
eine stellungnahme zu seinen derzeitigen beruflichen
und politischen aktivitäten bat

 
 

„hey edmund
 

deine post hat mich endlich via heidelberg erreicht. ich habe die sache von meiner seite aus abschliessend geklärt, so hoffe ich jedenfalls

aber was das klären betrifft, sag mir bitte: verstehe ich das richtig? dein brief kam direkt aus der stuttgarter zentrale der nicht erst seit ihrer unerträglichen werbekampagne ‚der holocaust auf ihrem teller‚ anrüchig gewordenen pseudo-tierrechts-kommerzgruppe peta, die ihr geld – vergleichbar mit der im linksbürgerlichen spektrum in anwartschaft zur heiligsprechung stehenden ökospenden-sammel-organisation greenpeace – durch das bewerben von (unterstellt!) gutgläubigen verdient, nein besser: eintreibt mit mehr als zweifelhaften mitteln?

dir ist bekannt, dass ich als mit-autor und mit-initiator an der im frühjahr 2004 öffentlich gemachten kritik an der peta-kampagne beteiligt war?

dir ist sicher bekannt, dass jürgen faulmann, als mitglied/vertreter des in wien beheimateten verein gegen tierfabriken (vgt österreich) gemeinsam mit diesem den sogenannten ‚tierrechtskongress 2002 in wien‘ veranstaltete, dem die nähe zur sekte universelles leben vorgeworfen wurde, wie auch die nähe zu rechtstoleranten gruppierungen?

dir ist fürderhin bekannt, dass jener jürgen faulmann im juni 2002 als ‚campaigner‘ zu peta wechselte und dort kampagnenleiter von ‚der holocaust auf ihrem teller‘ war?

die gerüchte vermelden, du wärest inzwischen zum rechtsberater der deutschen sektion von peta mutiert, du hättest dich einkaufen lassen, nein, mehr noch: es hätte dich dorthin gezogen, wo die hure euro mit dem pralleren hinterteil gewunken habe?

ich bin gespannt, edmund, nein, begierig darauf, dein dementi zu lesen, das meine befürchtung nimmt, du mögest unrettbar die seiten gewechselt haben“

[ 01.02.05 – 17:16 ]
 
 


nachtrag (06. februar 2005)

edmund haferbeck hat seine tätigkeit bei der deut-
schen sektion von peta bestätigt, verteidigt deren
kampagne ‚der holocaust auf ihrem teller‘, unterstellt
dem unterstützer der sekte universelles leben, jürgen
faulmann, absurderweise eine kritische haltung zu
eben dieser sekte, spielt die beziehungen zwischen
peta und universelles leben herunter und hat darüber
hinaus erklärt, als verteidiger von harald ullmann, dem
zweiten vorsitzenden von peta deutschland, in der
kampagnen-sache vor gericht aufzutreten
 


nachtrag II (07. februar 2005)

die rezension von charles pattersons buch ‚für die
tiere ist jeden tag treblinka‘
in der jungen welt vom
31. januar 2005 als aktueller beleg dafür, in welchem
masse ‚die rechte tierrechtsszene‘ aktiv daran beteiligt
ist, das anliegen einer aufgeklärten, linken tierrechts-
arbeit gegenüber einer ’normalen‘ öffentlichkeit zu dis-
kreditieren


[ ‚if you miss me in the back of the bus, you can’t find me nowhere‘ ] °

Februar 5th, 2005

… mich, hingegen, werdet ihr dort finden können, morgen mittag, in hamburg:

workshop mit moshe zuckermann (II)

„von der aneignung der ’natürlichen dinge‘ zur ’solidarität mit den quälbaren körpern‘ – naturbeherrschungspostulat und tierbilder im klassischen marxismus und in der frankfurter schule – ein kritischer vergleich“ (veranstaltet von der ‚tan‘ tierrechts-aktion-nord)

° – songtitel von pete seeger


[ preisbewusst ]

Februar 3rd, 2005


 

das angebot für kulturkundige und gewinn-
süchtige spielerInnen:

wer mir den richtigen comic-titel nennen kann
– an info@peryton.de geschickt -, hat schon
fast gewonnen. unter den richtigen innereuro-
päischen einsendungen verlose ich einen theater-
besuch, den der/die gewinnerIn gemeinsam mit
meiner werten nase erleben kann. das besondere
daran ist nicht meine nase, sondern dass das
ganze am wohnort des gewinners / der gewinnerin
stattfinden wird – oder, falls dort kein theater
vorhanden, am nächstmöglichen spielort

na, das ist doch was …?
 

abbildung: das wohlwollen der autoren wird
hoffnungsvoll vorausgesetzt
 


nachtrag (03. februar 2005)

die erste richtige lösung ist eingegangen – aus
süddeutschland. und die beschwerde, dass die
aufgabe viel zu schwer sei. aber dafür, dass ich
in der frohen hoffnung stehe, quer durch europa
reisen zu müssen, um mit einem fremden men-
schen ins theater zu gehen, darf die kirsche
doch ein wenig höher hängen, oder?

ich bitte also um weiteres engagement: jagt
mich durch die welt


[ katzenjammer ]

Januar 31st, 2005

hallo?
sprichst du noch?
vielleicht mit mir?
ach, bitte …
 

gestern bekam ich eine postkarte zurück, vor
jahren abgeschickt: film ab. es gehört gar nicht
hierher, eigentlich. hat nichts mit dir zu tun

aber es begleitet mich wie eine der vielen fra-
gen seitdem. tagtraum, tagschatten, winterbild


[ all together now ]

Januar 28th, 2005


 

nein, keine
kneippkur, nein, keine rennwiese, sicher
nicht, auch keine urlaubsgegend, nicht für
mich, zumindest, nein; keine erste wahl und
nicht die letzte: da rasten wilde gänse, da
ziehen kraniche vorbei, da hängen tiefe
wolken neben pferdeköpfen
 

foto: all together now. 06. januar 2005


[ maulschön ]

Januar 28th, 2005

– lili marleen –
 

ein tag, der mir davonrennt, um die ecken eilt, der
alles frosterstarrt, zudem, was nicht beweglich bleibt
– so war’s zu einem teil die suche nach dem wär-
menden asyl, dass ich in dieses tattoo & piercing-studio
schlüpfte; auch, weil mir vor einem halben jahr ein stein
versprochen worden war: er lag bereit, der rote, war
mit dem neuen reif montiert, an meine lippe, in einem
augenblick und ich entkam, fesch geschmückt, dem
kälteschaden zwar nur knapp dennoch ich entkam, be-
glückt: eine spur maulschöner
 

foto: magdeburg, 01. januar 2005


[ humankapital ]

Januar 26th, 2005

– kapital animal –
 

das offizielle ‚unwort des jahres‘ wurde vor we-
nigen tagen in frankfurt am main ausgelobt:
‚humankapital‘. respekt! einigen sprachweisen
ist aufgegangen, was kapitalismus so macht, mit
und aus den menschen und wie sich dies in
wortwahl zeigen kann. nicht aufgefallen, aller-
dings, scheint denen, wie jener mensch sich
selbst gebart mit nicht humanen, eingefügten
teilen seines alltagslebens, die er überall all-
täglich hegt, pflegt, gattert und vermehrt, um
sie zu nutzen, um sie auszustellen, anzuschau-
en, anzufütten, abzuledern, abzufedern, abzu-
fischen, auszulaugen, auszubilden, auszute-
sten, aufzumachen, aufzubrauchen, aufzutei-
len in portionen, kilos, grämmchen, sie zu ko-
chen um zu essen oder seifen, pulver, ingre-
dienzen, kunstgebilde herzustellen, kurz – um
auszuschöpfen, was darinnen liegt, bis über alle
grenzen von leben und ‚moral‘ hinweg: das
animale kapital

all dies scheint derart selbstverständlich und
normal, dass es der näheren, der wertenden
beachtung nicht bedarf. der humanismus pflegt
sprache und moral und kulturelles potential
von höchstem, eignen rang; groteske blüten
werden würdevoll verliehen, wenn mensch
dem menschen ehrend – oder rügend – auf
die schulter klopft
 

foto: kaptial animal
gottesgabe, 08. januar 2005


[ neues vom hexer ]

Januar 26th, 2005

– oder – [ rave the cave! ] – oder –

[ smash´em now! ]

eben hab ich die folgende email an den hochtalen-
tierten anwalt dr. christian sailer geschickt, den
justitiar der sekte ‚universelles leben‘, der
wohl seit einiger zeit nicht mehr ruhig schlafen
kann: gabi im gegenwind

from: info@peryton.de
to: info@sailer-hetzel.com
subject: gegenwind
date: wed, 26 jan 2005 00:12:14 +0100

na, advokätchen
es gibt wohl probleme?

(ts ts ts … mir kam zu ohren, dass am vergangenen abend ul-leute in heidelberg eine freiheitsberaubung vollzogen haben sollen? aua. sie haben ihre schäfchen wohl nicht recht ‚im griff‘? wenn das die gabi erfährt, auf ihre alten tage …)

georg hemprich

‚universelles leben‘ … wie – noch nichts davon
gehört?? dann wird´s aber allerhöchste zeit, die haus-
aufgaben zu machen

hier einige leseproben über das jahrzehntelange, na-
hezu ungehemmte ‚wirken‘ einer totalitären sekte …
und den endlich wachsenden widerstand dagegen:

=> kritische ul-dokumentation – nr. 1

=> kritische ul-dokumentation – nr. 2

=> kritische ul-dokumentation – nr. 3

=> ul-reportage des magazins voice (31/2002)

=> unterstützungsseite: pro voice, contra ul

=> indymedia – 1 (zur aktion in mannheim, 20.01.05)

=> indymedia – 2 (artikel vom 24.01.05)

=> indymedia – 3 (artikel vom 06.01.05)


[ gute nacht, john-boy! ]

Januar 25th, 2005


 


ich hab sie heute besucht

… ja?


ja … warum ist die welt so kompliziert?

weil sie rund ist


und warum halten wir immer an der ver-
gangenheit fest?

weil wir angst haben, herunterzufallen. des-
halb halten wir so fest an dem, was uns trägt
… das wort ‚runter‘ kommt ja auch von ‚rund‘


ach, wirklich?

nein. ich glaube nicht. aber es klang doch
schön, oder?
 


(was das foto mit der geschichte zu tun hat?
natürlich nichts. natürlich eine ganze menge)

 

foto: kurz vorm platzen. april 1994


[ später winter ]

Januar 24th, 2005

über nacht hat er sich hingeworfen, weiss und kalt
und quer in alle wege, als hätte er gewusst, wie ich
zu quälen bin, am härtesten: mit eigner ungeduld

von einem sommer habe ich geträumt, dennoch
– vielleicht deshalb -, der in der fernen zukunft schon
vergangen lag, der nur im träumen so, mit der
besetzung und auf dieser bühne zu erleben
ist: im schlaf

wir haben heu geerntet dort, wo niemals heu zu
ernten war und es war spät bereits, ein wetter
drohte, doch wollten alle hände fort zu fernen
zielen. so blieb ich, bot mich an, mein reisen zu
verschieben um den einen tag, damit das
notwendige getan, das gras gerettet werden
konnte vor dem regen. zum ersten mal seit
jahren sprachen wir, die mutter und der vater
und ich selbst ganz ohne zorn, offen, bar des
misstrauns, bar der schuldverweise; nein, kein
hader zwischen uns

wo du gewesen bist, ich kann es nicht mehr
sagen – du warst; nicht irgendwo zu sehen und
zu nennen, nein, du bist gewesen, du warst der
traum, du warst das heu, zum trocknen auf-
geworfen über reutern aus holz, die furcht vorm
sommersturm warst du und auch mein bleiben

eine frage bricht die nächste auf, die nächste noch
und wieder und erneut, so war es all die jahre: wo
bist du gewesen und weshalb?

dass dieser späte winter hingeweint, in meinem
traum entstanden und herausgeschneit, ist nun
gewiss: ich kenne dich. ich weiss den klang der
tränen in der nacht, als ob es gestern war – so leise
fällt der schnee, er spricht. nein, glaube mir: ich hab
gelernt, die spur zu finden, um in ihr zu lesen


[ ansicht, verschoben ]

Januar 23rd, 2005

– augenblicklich: julia –
 

foto: 06. januar 2005


[ hase ]

Januar 22nd, 2005

schau mich an, hase, werde ich gesagt haben, schau mich an, wenn ich mit dir rede. und er wird geblinzelt haben, zögerlich, denn alte hasenaugen, selbst solche aus porzellan, neigen dazu empfindlich gegen das licht der morgensonne zu sein, auch wenn diese matt nur durch die trüben oberlichter eines zirkuswagens fällt: schmaler, heller strich, von leuchtpunkten durchtanzt, milchstrassen des morgens

ich werde die linke der morschen flügeltüren aufgestossen haben, begrüsst vom katertier, dem grauen mit der verstümmelten pfote, der sich die nacht auswärts streunend um seine heldenohren schlug, begrüsst von der betagten eiche, der seit jahrzehnten sterbenden, gewiss, begrüsst vom mühlenteich, der keine wellen an mein ufer warf, weil er zu klein dafür gewesen, solchermassen begrüsst werde ich die drei stiegen übersprungen haben, hinab, und schon am holzlosen türstock, dem eingang zum schuppen angelangt sein

es wird ein schneereicher winter gewesen sein, damals. weil die winter vor jahren noch die angewohnheit hatten, kälte und schnee zu tragen als typische gewandung ihrer zeit, dann und wann gewürzt mit einem stürmchen, das den weissen griesel durch die ritzen trieb, so wird auch an diesem morgen schnee gelegen haben, ja, sicher, ein hauch, zumindest, ein schneehauch wird das land bedeckt haben, um diese stille zu machen, diese stille …

wenige scheite holz werde ich zerkleinert haben, mit der leichten axt, unter der tief durchhängenden decke, dabei bemüht gewesen sein, nicht gegen die tragbalken zu stossen, eine handvoll spane nur, vielleicht zwei, genug für das feuer der morgenstunden: während das erste knistern die rückkehr der wärme verspricht, wird die hexe bald schon begonnen haben, höllenhitze auszustossen, die dennoch nur die kälte in ihrer nächsten nähe bricht. und während der kessel längst über das feuerauge gezogen ist, in die kuhle der herausgenommenen ofenringe gesetzt, werde ich bereits am regenwasserbottich gestanden haben, mit der axt das eis aufgeschlagen, mich zu waschen, alldieweil von der eiche herab ein kalter puder auf meine haut gerieselt sein wird, gleich zärtlichem streich

ich werde deine post erwartet haben, eine kerze angezündet, den umschlag belacht, bestaunt, geküsst, auch diesen brief erneut gelesen, erst alles auf einmal, dann satz um satz, wort um wort, den kaffee getrunken, geweint, gelacht, wie so oft, die immer wieder jungen fragen beantwortet gefunden haben und an mich gestellte, neue erfunden, geboren, für dich, an dich zurückzusenden, ja. die fragen aber, die viel später kamen, so viel später … sie ist geflogen, diese zeit, geflohen, fortgezogen irgendwann, mit den nebelkrähen, im frühjahr gen nordosten fort; nein, sicher bin ich nicht und nicht, wann das geschehen war, geschehen konnte

dann, allerdings, würde ich mich gestützt haben in meine hände, mein gesicht zu schwer, um sich selbst zu tragen und meinen namen würde ich geändert haben, damit du mich finden können würdest oder suchen; dann, allerdings

du, lass die glocken klingen, da du gehen musst

schau mich an, hase, werde ich gesagt haben, schau mich an, wenn ich mit dir rede. lange wird das her gewesen sein, ich würde die augen geöffnet haben müssen, um zu erwachen, anzuschauen, was gewesen ist, zu beginnen mit dem anfang. aber bis es soweit kam, dauerte es die zeit, die dafür notwendig war, voll sonne und schmerz und abschied und wiederfinden

foto: an der salzauer mühle (1996)
copyrights: cosima fuchs © 2005

[ drücker, schwindler, schornsteinfeger ]

Januar 21st, 2005

– oder – [ menschen taumeln. mukka pazza. befreite adler ]

– oder – [ pisa II und deutschlands dumme kinder ]

ich erwache. es klingelt zum zweiten mal. ich schiesse delphinengleich in die höhe, taumle zur wohnungstür: zu spät: die zimmertür nebenan hat sich bereits geöffnet, der drücker ist gedrückt, das schloss entriegelt, das „kommen sie hoch, hinterhaus, zweiter stock, links“ ist längst gesprochen. was bleibt ist ein taumeln, ein kreiseln, ein gegeneinandertreiben der kopfschalen auf dem hirnenrund

warum sind schornsteinfegermeister stets mittleren alters, stets blond, stets von wohl genährter erscheinung? es muss einträglich laufen, das geschäft der letzten ihres umtriebigen gewerbes. warum werden schornsteinfegermeister stets von glutohrigen assistenten begleitet, die stets blöde nebenbei stehen, glotzend bestaunen alles, was in ihr gesichtsfeld fällt? an diesem morgen: drei unausgeschlafene zeitgenossen (plus grossem ‚i‘), mehr oder weniger oder eher noch mehr weniger, also spärlicher bekleidet, unterschiedlichen geschlechts, wie schon gesagt, unterschiedlichen gesundheitszustands in einer wohnung, die für den nachbarshund alleine schon zu kleine (letzteres nur um des wortreims willen). dennoch; wirklich geschehen war: drei verschlafene, die ihre verschlafenheit mit einem zettel angekündigt hatten („nicht vor neun uhr dreissig!!“) – was gab es da also zu glotzen? – und zwei schwarzbekittelte versammelt in einer küche, die allein schon für den nachbarshund … der assistent glotzt. hat der noch nie eine zahnbürste gesehen? in einem mund? oder solche haare? an dieser stelle? junge, lass dir das gesagt sein: ich weiss, dass ich schön bin!

sie sind bereits nach drei minuten wieder aus der hütte – und dafür waren wir alle aufgestanden; das hatte dieses aufwands wahrlich nicht bedurft. „der abend ist klüger als der morgen“. eben. falls der nochmal was von uns will, der schwarze feger, wird er dreimal klingeln müssen …

was blieb: der schwindel. beharrlich. selbst im liegen ein taumelndes kreisen, ein wendeln, ein strudeln. und ‚kopf an‘ war trumpf, kein weiterschlafen möglich; wie auch: zahnbürste im maul ist mein startsignal für den täglichen … ‚kampf‘, wollte ich schreiben. ‚lampf‘ kam dabei heraus. beim korrekturversuch entstand ein ‚ampf‘ und damit bin ich endlich beim thema, das mich so sehr beschäftigte, dass ich mich gegen den schwindel, gegen die sehnsüchtige bettlust an den schreibtisch zwang: was mit den worten so passiert, und – wie oder – mit uns passiert, wenn wir das eine oder andere verlegen, verlieren, vergessen, verschieben, versäumen … genau dies: es entsteht neues, das nah beim nahen liegen kann, oder – wie der nie zitierte apfel aus südafrika – eben doch sehr weit vom stamm zu liegen kommt

der schwindel, zurück zum thema, endlich: der kreisende. der kreiselnde. der schwindelnd schwindende – und: zack! daneben. wobei es doch so gleich klingt, klingte. klänge. aber so nah liegt die lüge eben dem verfall: der schwindel dem schwindeln wie dem schwund

womit wir bei ‚pisa zwei‘ angelangt wären, dem wiedergekehrten postulat für deutschlands blöde kinder: nein, sie sind nicht schuld, die kleinen, die dummchen. ihr müsst – immer noch – die alten prügeln; und genau: so wird es euch nicht gelingen. ob es gewünscht sei, ist die ganz andre frage, die ich gerne – wiederholt – berede: sicher nicht. denn gefährlich sind sie, die mit worten klingelnd spielen können, wie mit den perlen, die ihr den säuen vorgeblich zum speisen reicht. lüsterne zungen spielen frech mit worten: sprachlust, libido gelallt (da worte stören, wo die zunge spielt) – es liegt beinander, eng; was uns verbindet, ist was mich so freut und euch so schmerzt, ihr armen kinder dummer

was schon die dritte brücke war zur kuh, die blökt, mit schmerzendem gehirne: mukka pazza°, das verrückte hornvieh, das ich erhebe, hiermit vorgeschlagen als neues deutsches wappentier: weg mit dem adler, her mit dem huftier, rauf die kuh aufs banner

ein gar malerisches bild: allgäuer höhenvieh mit blöde verdrehtem auge (zunge muss raushängen und triefen). da würde sich so manche, mancher wiederfinden. und – ach! – erinnere ich mich des jungen schornsteinfegerburschen von heut morgen, mit dem wunderlichen blick: nichtverstehen auf zu weitem felde

womit wir ein schönes ende gefunden hätten: wir liegen beieinand vereint, im abschlussbild, arm in armen auf der heimatscholle, die nicht nach alten fischen riecht, nein, stinkt nach kommunalem schlamm vom klärwerk nebenan, die mukka muht und pazzt und stirbt, drei schornsteinfeger ziehn vorbei am rand und winken treulich, am himmel kreist ein adler schwarz, gezaust, aber befreit, er schwingt sich hoch und höher im aufwind über kraftwerkstürmen – biblis, scheint´s mir, ist nicht am dichtesten? – ich trällere ein liedelein, ein altes: „tsen brider sajnen mir gewesn hob’n mir gehandelt mit lajn, ejner is von uns gestorb’n, is geblib’n najn“, auf jiddisch, ja, bis zur letzten strophe. „ejn bruder bin ich mir gewesen, hob ich mir gehandelt mit licht, schterb’n tu ich jeden tog, weil tsu esn hob ich nit.“

damit hätten wir das mit der faschistenhymne auch geklärt, ein für alle mal. oder?

° mucca pazza (italienisch) – verrückte kuh


[ mögliche antworten: keine ]

Januar 20th, 2005

– oder – [ euphemische betrachtung autobiographischer gedächtnisdaten ]

– oder – [ liebst du mich? ]

es gibt streitgespräche, die nicht ins vergessen fallen. so jenes, das am vorwurf meiner damals liebsten freundin entbrannte – sie sei hier zur wahrung ihrer anonymität und ihres ehrenden angedenkens `lina´ genannt – ich würde, schärfer noch: ich könne niemals, selbst auf die einfachste fragen hin, mit einem schlichten `ja´ oder einem ebensolchen `nein´ antworten

anstelle meiner spontanen erwiderung folgte ein anhaltendes, ein hörbar nachdenkliches atemholen meinerseits, ein zögerlich sich ausdehnendes summen – dergestalt etwa: „hmmmmm“ – endlich ein umschweifig einleitendes „also ich sehe das so: …“, was als präludierender auftakt zu einem längeren vortrag geplant war. allerdings löste diese artifiziell ausgestaltete einleitung bei jener bereits erwähnten freundin zunächst einen spontan aus ihr hervorbrechenden ausdruck schier unbändiger wut aus, die sich in minutenlangen lautmalungen unterschiedlichster klangfarbe und intensität, spastisch anmutender gestik und dem ausstossen diffuser beschimpfungen gegen meine person äusserte – so entsinne ich mich, noch heute davon überrascht

manchmal – zugegeben: selten – vermag mein mit voraneilendem lebensalter erschreckend nachlassendes gedächtnis erstaunlich detailreiche wiedergaben lang zurückliegender lebensmosaiken in form ganz privater kopffilme zu vergegenwärtigen. vorausgesetzt, ich schätze sie des erinnerns wert. (für leselaien autobiographischer werke: dies war erst die einleitung. es folgt die üblicherweise euphemisch veränderte hervorbringung einiger für wesentlich befundener gedächtnisdaten.)

nach meinem geschmack kann keine frage, so klein und unscheinbar sie auch daher zu kommen vermag, mit einem schlichten, einem quasi magersüchtig-schlanken `ja´oder seinem antagonistischen partner zufriedenstellend beantwortet sein. zumal in einer zunehmend kompliziert, verworren, unübersichtlich gar und demgemäss in der bewertung ihrer kausalbezüge zunehmend fragwürdig werdenden welt – immerhin behaupten wir dies vielfach und angestrengt vor– und gegeneinander, bis wir es endlich selber glauben dürfen, um unsere im kritischen zivilisationsvergleich historisch anwachsende inkompetenz in faktischen wissensfragen wie in sachen individueller selbstverwaltung zu kaschieren – zumal also, um den argumentativen faden erneut aufzuheben, die komplexität von ursprung und wirkung, von logischem schluss und persönlicher konsequenz im falle einer durchaus möglichen fehlentscheidung (wie auch des gegenteils) verheerende auswirkungen mit sich bringen kann. mit sich bringen könnte

als simples anwendungsbeispiel dient uns zuerst die folgende frage: wenn diese ampel dort ein grünes lichtsignal zeigte, könnten wir beide, im augenblick noch erwartungsvoll stehend, dann gemeinsam losgehen?

nun, wir könnten dies mit einem nackten `ja´ beantworten, falls wir einen als naiv zu denunzierenden lösungsweg für diese komplexe fragestellung beschreiten wollten. dies würde allerdings in – ich unterstelle: wissender – negation der tatsache erfolgen, dass für das fällen einer derart gewichtigen antwortentscheidung vielerlei gesichts– und standpunkte zu beachten sind. zu beachten wären

für unser antwortverhalten spielt das räumliche gebahren aller strassenverkehrsteilnehmerInnen am bezeichneten ort sowie unsere mögliche interaktion mit ihnen – ich präzisiere: beziehungsweise mit teilen von ihnen – eine nicht zu unterschätzende rolle. (übrigens stelle ich gleichzeitig als these in den virtuellen raum der theorie, dass die meisten unfallopfer, statistisch gesehen, nicht an den roten, sondern – meinen ausführungen zufolge bald erwartungsgemäss – im verlauf der fussgängerInnenampel-grünphasen zu beklagen sind. wobei an dieser stelle die rückfrage einzuschieben ist, welche klage korrekterweise geführt werden müsse – und wann. den eintritt eines mit statistischer sicherheit vorherzusagenden ereignisses zu beklagen, ist durchaus ein erstaunen hervorrufendes verhalten. vergleichbar, etwa, dem beklagen altersbedingter hautfalten.)

desweiteren sind die lichtverhältnisse explizit zu betrachten – nehmen wir diese grüne ampel tatsächlich als zeichengebendes lichtsignal wahr oder unterliegen wir just im moment der entscheidungsfindung einer sinnestäuschung, verwirrt durch räumlich benachbarte, um unsere wahrnehmung konkurrierende lichtreize? – sowie die fähigkeit zur nervenphysiologischen aufnahme, weiterleitung und verarbeitung entscheidungsrelevanter optischer informationen in die aufsummierung der rahmenfaktoren mit einzubeziehen. etwa demgemäss: weiss ich um meine eventuell latente rot-grün-blindheit? sind meine benachbarten handlungspartnerInnen uneingeschränkt optisch entscheidungsfähig? könnte ihr – für das gedankenspiel als zusätzliche rahmenbedingung unterstellt – von dem meinen abweichendes entscheidungsverhalten mein eigenes positiv oder negativ befördern? wie aber ihr dem meinen gleichendes?

oder lenken wir den blick auf die vertiefende frage: handelt es sich wirklich um eine fussgängerInnenampel und wird diese erkenntnis von allen im näheren umfeld angesammelten menschlichen individuen im konsens gehalten – denn gegebenenfalls könnte eine abweichung von dieser übereinkunft unser handeln eklatant beeinflussen bis zur körperlichen versehrtheit, respektive bis zum tode?

zuletzt – wobei ich sicher bin, noch lange nicht den kleinsten teil aller gewichtungsrelevanten fragestellungen beleuchtet zu haben – zwei fragen mit tagesaktuellem politikbezug, zwei fragen auch zur sinnhaftigkeit meines handelns: ist es angesichts der oben angerissenen fragestellung zur verkehrssicherheit an ampelanlagen angebracht, mich an derart exponierter stelle einer statistisch gesicherten todesgefahr auszusetzen – sprich: wäre nicht die überquerung der strasse an nahezu jeder anderen stelle meinem weiteren lebensgenuss dienlicher, rein statistisch gesehen? und – abschliessende frage – wäre eine abweichung aus gründen demonstrativ ausgestellten und fürderhin basisdemokratisch motivierten oppositionsverhaltens nicht angemessener: anarchie im alltag: rot – gehen, grün – stehen? (doch wer verstünde dies?)

somit ist bereits an diesem banalen exempel, diesem alltäglichen wegmal erkennbar, wie schwierig sich der erkenntnispfad zur eingeschränkten bejahung oder auch zur eingeschränkten verneinung gestalten kann, dass demzufolge eine spontane, bedingungslose beantwortung mit `ja´ oder `nein´ unmöglich sein muss

eine beidseitige schweige- und atempause, angemessen kurz. nein, dieser disput war noch nicht entschieden. aber war es, liebste freundin von damals, unvermeidbar und sinnvoll zu erfragen, ob zum gemeinsam lustwandelnden pas de deux durch die einkaufspassagen dieser stadt ein schirm mitzunehmen sei, angesichts der radiomeldung, in der `schauerartige niederschläge´ vorhergesagt worden waren?

ich führe niemals einen schirm mit – du etwa? – nicht einmal auf demonstrationen, die den kampfmässigen einsatz von wasserwerfern erwarten lassen. ausserdem besteht, das bitte ich zu berücksichtigen, die chance einer gebietsbedingten abweichung in der ausgestaltung jedweder witterungsereignisse. zumal es sich bei der prognostizierten um eine niederschlagsform handelt, die, bereits angesichts ihres namens für niemanden unverborgen bleibend, von einer gewissen variablität in ihrer zeitlichen erstreckung kündet. vorausgesetzt also, wir befänden uns zum zeitpunkt des ereigniseintritts in einem bürgerlichen kaffeehaus sitzend, streithaft verstrickt im vergnügen kontroverser philosophischer betrachtungen über die – beispielsweise – verheerend anzuschauenden auswüchse des allseitig zunehmenden destruktivkapitalismus … schliesslich und darüberhinaus mag durchaus die möglichkeit bestehen, dass sich das vorhergesagte meterologische geschehen durch die ausbildung eines sogenannten zwischenhochs zwischen den frontendurchgängen zweier zyklonen … du verstehst?

überwältigt von der mir eigenen verkörperung männlicher prinzipientreue, gepaart mit einem nahezu unerschütterlichen wissenschaftlichen fundament, zerbarst die wiedergewonnen geglaubte redselige laune meiner streitgefährtin erneut und fand – ich verneige mein haupt, erinnernd, in demut vor dir, lina! – einen thematisch durchaus passenden gefühlsausdruck in schauerartigen niederschlägen aus dem bereich ihrer oberen gesichtshälfte, begleitet von heftigem nasenschneuzen

um die in der folge leicht angeschlagene gemütsstimmung des jungen wochenendes zu retten, versuchte ich mich in erklärungen, die auf gemeinschaftlich–emotionalem niveau fussend, gefällige aufnahme und endlich auch zustimmung finden sollten: schau, lina, jede beliebige frage ist doch stets von einem speziellen, individuellen, ja einzigartigen standpunkt aus gestellt; damit verbieten sich absolute begriffe der zustimmung oder ablehnung. ich würde weder der fragenden person noch ihrer kulturellen, sozialen, soziokulturellen, geschlechtlichen, historischen, ethnischen gesellschaftlichen oder sonst–wie–einbindung gerecht. ganz abgesehen davon, dass die exogenen standortfaktoren, also jene von ausserhalb, von der umgebenden umwelt aus hineinwirkenden einflüsse, dabei gänzlich unberücksichtigt blieben. es wäre – ich rang nach den schliessenden worten – persönlich, wissenschaftlich und politisch unkorrekt

sie schwieg

ich, eindringlich: schau, selbst die so einfach scheinende frage „liebst du mich“ ist doch eine geradezu gefährliche, angesichts der tatsache, dass jeder mensch eine ganz eigene, höchstpersönliche auffassung von liebe pflegt

sie schwieg. sie schnüffelte. sie schien ein klein wenig besänftigt

ich, beschwörend: und dann gar die frage „liebst du mich noch„. an dieser unwesentlich scheinenden beifügung zerbrachen schon bis dato bestfunktionierende beziehungen. `noch´. haha. `noch´. die kapitalistische sozialisierung der westlichen welt ist in ihrer gesamtheit eingeschlossen in jenem `noch´. die argwöhnische kontrolle des persönlichen besitzstandes, die abfrage des emotionalen status quo, der gesellschaftliche börsenwert in der einen schale der waage, in der anderen die latente, die unterschwellige drohung zurück zu fordern, was verauslagt war: gefühlsleistung. reinster kapitalismus!

ich schrie inzwischen fast, mitgerissen von meiner eigenen, glänzenden rhethorik: kein platz mehr für gefühl, für liebe, ja, die unbedingte liebe – kannst du mir endlich beistimmen, dass generell und gerade hier kein einfaches `ja´ oder `nein´ statthaft sein kann?

langes schweigen. leises schnüffeln. dann – mit diesem unheilvollen blick von unten herauf, schräg zwischen tränenfeuchten wimpern hervor, verschleiert augenwinkelnd, jener blick also, der von hollywood-assimilierten als `romantisch´ missgedeutet wird: und wie ist es mit uns beiden? liebst du mich … noch?

bis heute weiss ich auf diese frage keine antwort zu geben, ausser jener gänzlich aus der form geratenen: keine antwort möglich

unsere beziehung hielt noch drei mühevolle, drei fleissige monate, vielleicht auch ein paar tage mehr