magst du anhalten, für einen
moment, zurückschauen, wo
ich geblieben bin?
und könntest du – bitte – einen
zweiten moment lang auf mich
warten?
selbst wenn unsere wege die
gleichen wären – die berge
sind unterschiedlich hoch
magst du anhalten, für einen
moment, zurückschauen, wo
ich geblieben bin?
und könntest du – bitte – einen
zweiten moment lang auf mich
warten?
selbst wenn unsere wege die
gleichen wären – die berge
sind unterschiedlich hoch
im fensterspiegel lässt sich der anblick dieser stadt er-
tragen. der anschein des maroden hat etwas hoffnungs-
volles. wie das gewürz, das einer suppe den brechreiz
des billigen nimmt, sofern du dich betrügen lässt; du
kennst inzwischen ihre tricks, du grüsst, du lächelst artig
foto: neubau
friedrichshafen, 01. august 2006
über dem hafen lehnt vergessend eine burg sich gegen
abendwolken, ankerschwer schleppt fuss sich neben
fuss, hinter den augen schlägt das fieber funken, als
ich den focus himmelaufwärts hebe, gegen eine alte
lampe neben lagerhallenfenstern, ausgefressen, wie
es scheint, vom anflug eines taubenpaares, das aus
treue blieb. ich, aber, bin gekommen
ich, aber, schleppe fuss an fuss, noch hundert meter
oder zwei, taste mich vorwärts, halt findend an ver-
messungspunkten: ein schrundiger fassadenriss, ein
kabelknotenpunkt am ende, ein mauerhaken hängt
herab
dann liege ich am deichweg auf asphalt, kühl aber
trocken und die sonne tief, einfach nur liegen, sage
ich und g. nimmt einen schluck vom bier, erzählt
vom wandel mit dem blick zum fluss, ich kann die
trauer in den worten hören, aber möchte sie nicht
spüren, schweige mich davon: nachher kommt c.
ich freue mich auf dich. der rechte daumen tippt und
zögert: senden? die nachricht wird gesendet. der g.
nimmt einen schluck, weist mit dem kinn über die
schulter hinter sich und nickt: sogar das bootshaus
ham sie abgerissen, diese schweine, übrig geblieben
sind die alten lampen, kannste die sehn?
ich kann sie spüren, denke ich und atme und staune
über eine wolke, die schatten wirft, am himmel, die
sonne tief, einfach nur liegen, denke ich, und als der
g. erneut zum fluss hinüber nickt, liegt seine trauer
auch darin
foto: tangermünde, 25. oktober 2006
hören wollt ihr kritische stimmen der zeit?
zusammengenommen wären sie leichter
erkennbar, im sinn zerstäubenden lärm
aber wer, bitte, wer will das können, ohne
laut zu werden: sprechen mit einer stimme?
„Olá Georg, ich erinnere mich gerne an Maerz 2006
und unsere herzliche emailische Seelenbegegnung“
nix da. verkackte anthroposophenscheisse. das war
ein disput, keine ’seelenbegegnung‘. jetzt verstanden?
hinter dem namen ‚universelles leben‘ verbirgt sich bekannter-
massen eine totalitär strukturierte sekte, der als gallionsfigur
eine obskure prophetin voranstolpert, die ihrer kritikerInnen in
grund und boden zu klagen versucht – ausser beim peryton, da
fällt ihnen wohl nix blödes mehr ein – und deren engagement im
tierschutzbereich nach ansicht ihrer kritikerInnen einzig den sinn
hat, die zahl ihrer abhängigen zu mehren
kurz: es gelingt der sekte ‚ul‘ immer weniger, ohne gegenwind
ihre absurden demonstrationen abzuhalten, zu denen sie ihre
eigenen abhängigen hintransportiert. gibt es beachtung in der
bürgerlichen presse, sieht die in der regel böse aus – wie im fol-
genden artikel des berliner tagesspiegel vom 07. oktober 2006
meine brieftasche? ich muss sie verloren haben, als ich …
verdammte axt. liegengelassen aufm klo, nachdem ich in
der apotheke dieses einkaufszentrums tabletten besorgt
hatte, gegen fieber. das fieber ist zwei durchschwitzte ta-
ge später allerdings noch da. ich packe zusammen, was
zusammen gehört, um weiterzufahren. nur noch die auto-
batterie an das ladegerät hängen, weil die lichtmaschine
nicht mehr mitmachen will. das bringt mir eine stunde er-
holungszeit in der badewanne, karibische augenblicke zur
genesung. wenn es nicht regnet, werde ich wohl problem-
los ankommen
doch wenn es regnet, wenn der verkackte güldene herbst
seine nassen gaben über mir ausschüttet, werde ich den
scheibenwischer anmachen müssen, das licht, dann wird
die batterie sich entladen, dann wird das auto irgendwann
stehenbleiben. und ich auch. ohne papiere, ohne geld. denn
alles steckte in der brieftasche
ich fühlte mich noch nie so glücklich. seltsam, gell, dass
man so viele jahre vergehen lassen muss? und ich hätte
dich gern dabei, beim glücklichsein. aber nein. ich: hier
und überall, du: dort, irgendwo … es ist gut so, wie es ist
stört es dich sehr, wenn ich ab und zu an dich denke?
foto: abflug!
friedrichshafen, 01. august 2006
wer weint mit mir
wenn ich müde bin
im schlaf?
es hat geklingelt. stimmen im flur. ich lausche über
die schulter zur tür: den kenne ich doch …? es ist der
schauspieler s., der damals am kieler schauspiel-
haus in harold pinters „bergsprache“ spielte und in
„noch einen letzten“
wie er kurz darauf bei einer tasse kaffee erzählt, ver-
liessen einige zuschauer die vorstellung türenschla-
gend. das war sicher nicht einfach für die darstellen-
den, denke ich, mich an jenen unvergesslichen thea-
terabend erinnernd
aber so ist das eben mit der kunst: nicht alle können
viel mit ihr anfangen, trotz ihrer kleinbürgerlichen be-
mühung
ich habe einen brief verlegt, einen wochenlang mit mir herum-
getragen, ohne die ruhe zu finden, ihn weiter zu lesen als den
freundlichen anfang; doch ich bin nicht einverstanden mit mir
so viel zeit müsste immer sein. immer. sage ich und weiss
um die verfallszeit von idealen, den rost auf unserer seele
(und das, lieber freund, war noch ein beitrag zum thema ‚altern‘)
foto: nach dem konzert
berlin, 07. oktober 2006
aufnahme: thomas vallentin
copyrights: peryton & thomas vallentin ©
einen herbsttag lang unterwegs auf alten
pfaden, fast vergessen. da waren wir und
dort, ein paar alte bäume glaubte ich zu
kennen und den ausblick nach südosten, ü-
ber die hügel hin, fast unvergessen
du bist nicht, nicht du und nicht du. auch
die wege sind nicht mehr die gleichen. ich:
alleine. so wenig einsam war ich nie
an das jobcenter heidelberg
– markt und integration –
speyerer strasse 6
69115 heidelberg
– per email –
das kunstprojekt peryton – perspektiven einer kunst
jenseits von verwertungslogik und vermarktung. ein
offener brief
der abschluss meiner deutschlandweiten konzertreise
im oktober 2006 ist ein geeigneter zeitpunkt, die vom
derzeitigen geldgeber, dem ‚jobcenter heidelberg‘, ge-
wünschte wirtschaftlichkeitsprognose im rahmen einer
wertenden betrachtung der künstlerischen konzeption
des projektes ‚peryton‘ vorzunehmen und daran an-
schliessend eine weitsichtige prognose zu wagen
in einem land, dessen bildungssystem über jahrzehn-
te hinweg bemüht scheint, schreibunfähigkeit zur all-
gemeinen norm zu befördern, einem land, in der die des
lesens (noch) befähigten seit herbst 1989 mehrheitlich
den konsumentInnen der tageszeitung ‚bild‘ zugerech-
net werden müssen, kann bereits das überaus positive
echo der zahlenmässig kleinen bis familiär zu nennen-
den zuhörerInnenschaft als erfolg gewertet werden
der versuch, unter dem titel ‚chanson und lyrik‘ lied-
und textbeiträge im wechsel zu präsentieren, die alle-
samt an einem autonomen künstlerischen ideal aus-
gerichtet sind, nicht am kunsthandwerklichen massen-
schnitt eines mainstreams, hat gegriffen, hat die zu-
hörerInnenschaft ergriffen. angesichts der inhalts-
’schwere‘ der lyrischen form sowie der den meisten
ungewohnten musikalischen form war dies die bestä-
tigung der künstlerischen konzeption sowie ihrer um-
setzung auf der bühne und lässt die prognose zu, da-
mit auch zukünftig erfolgreich zu sein, was heisst: ge-
sucht, verstanden und positiv aufgenommen zu wer-
den
vom standpunkt einer gewinn-verlust-rechnung aus
betrachtet war die konzertreise ein desaster. mit der
absage des abschlusskonzerts aufgrund technischer
probleme auf seiten der veranstalterInnen konnten
die gesamteinnahmen gerade einmal die reisekosten
ausgleichen, wobei die vorauslagungen für werbung
und organisation nicht berücksichtigt sind. wäre der
begleitende musiker nicht mit einem minimalen obu-
lus zufrieden gewesen …
dennoch
dieses land ist derzeit beteiligt an kriegen unterschied-
lichster fronten. es ist in der lage, ohne scham und oh-
ne nennenswerte oppositionelle kritik soldaten loszu-
schicken, ohne frage nach dem unausbleiblichen ge-
sellschaftlichen wertewandel hin zu allgemeiner akzep-
tanz von gewalt und – selbstverständlich – ohne eine
frage nach der wirtschaftlichkeit destruktiver militär-
politik und der ihr eigenen marschmusikkultur. dieses
faktum ist den uniformköpfen bekannt und – sage ich –
um von den inneren problemen abzulenken, nicht jenen
nur bequem: in deutschland bleibt kein hochgeriss’ner
rechter arm ohne verheerende folgen
historisch wie menschlich gesehen gibt es akuten be-
darf an konstruktiver kritik, an einer kultur der kritik, al-
so einen dringenden bedarf an kritischer kunst jenseits
von vermarktungsinteressen und wirtschaftlichkeit, jen-
seits aller ansprüche alltagsgewöhnlicher happyness-
events und vor allem jenseits politischer gefälligkeit:
eine kunst, die nicht politisch ist, ist keine kunst
– sie ist blosse dekoration, ist kunsthandwerk
und daraus folgt:
peryton ist und bleibt politisch, bleibt bitter, bleibt
süss, bleibt allseitig quer und bleibt gerade, bleibt
unmodern lyrisch und lyrisch brandaktuell. peryton
wird seinen beitrag zur kritischen kultur weiterhin
leisten, selbst wenn die lack und leder tragende
bezahlkunst stets den finanziellen erfolg im schun-
keln des politisch opportunen abgreifen wird
peryton ist auf dem richtigen weg – und bedankt sich
bei seinem ihm so herzlich gewogenen publikum für
die vielen unvergesslichen momente, begegnungen
und erfahrungen an den verschiedenen spielorten
deutschlands
dann werde ich singen (on a fait le compte)
wenn die nachbarskinder mit den flammen
spielen unter euern dächern, so wie wir damals
zündelten unter luftschutzdächern, unter rohem
holz im wald, in ruinenkellern, aber ohne arg
wenn sie gebrandmarkt haben, also
was euch wichtig schien
wenn sie den müttern gesagt haben, dass ihre
milch bitter schmeckte, niemals besser als die
schläge ihrer abendväter, wenn sie die schulen
besuchen, um fenster einzuwerfen mit büchern
in sprachen, die zu verstehen niemand sie
lehren wollte, wenn sie ausgespien haben
ihren zorn und fortgegangen sind, endlich
ohne traurigkeit
dann
werde ich meine lieder dazu singen, meine
brennenden lieder von der liebe und davon
dass der warnungen genug gewesen sind
seht ihr? seht ihr?
on a fait le compte
alle fotos lassen sich
– wie immer in diesem weblog –
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fotos: daniel verdier (bass) & peryton (gesang/gitarre)
im ‚zimmer 16‘, berlin-pankow, am 07. oktober 2006
aufnahmen: thomas vallentin
copyrights: peryton & th. vallentin © (2006)
weil ich nur am wochenende kostenlos telefonieren kann, du
da aber ‚dein wochenende‘ hast, bleibt mir die bittere mög-
lichkeit, dich irgendwann in der woche anzurufen. wo ich meist
unterwegs bin – und wenn dann abends telefonierbereit, hast
du deinerseits bereits ‚feierabend‘. also: schwierig
ich werde es dennoch irgendwann hoffnungsvoll probieren
und hoffen, nicht wieder an deinen verkackten anrufentge-
gennehmer zu geraten, der dir meine anrufe zu verschweigen
scheint. ein anrufentgegennehmerundverschweiger
(entlassen, das scheissding!)
alle fotos lassen sich
– wie immer in diesem weblog –
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fotos: daniel verdier (bass) & peryton (gesang/gitarre)
im ‚café brazil‘, lübeck, am 05. oktober 2006
aufnahmen: neoviel
copyrights: peryton & neoviel © (2006)
müde? ja
zufrieden? ja
sogar mein rastloser spott räkelt sich wohlig in gemütlichkeit
aber morgen, morgen …
„warstdudas,spurengeklautenlackstiftsne
benmeinertür? ; ) bewahresieinmirauf…“
ja
am rand des durchwanderten landes eine kühle
abendsonne, fast grau. alle jahre liegen in dieser
rückkehr, alle umarmung in der einen, jedes haar
und aller duft, die nacken zu breit, umfasst zu
werden, sinke ich schwerelos. (glück?)
dass sie mich vermisst haben, ist nicht gewiss
und nicht, dass sie sich sehnten, wohl aber, dass
sie sich meiner sicher sind. (glück?)
nachdem ich das konzert fortgesetzt hatte, kam einer
der bis zur stammelnden blödheit betrunkenen wie-
der herein, setzte sich geräuschvoll. in der pause zum
folgenden chanson stand er auf, ebenfalls geräusch-
voll, taumelte ein paar schritte und verharrte handlungs-
bereit neben dem ausgestellten gasbrenner. dann, laut
durch die stille des raumes: ist dir kalt? soll ich die hei-
zung anmachen?
ich, im freundlichsten ton, den ich finden konnte, jedes
wort betonend: dann bringe ich dich um
der weitere verlauf des konzerts blieb ohne störung