[ fünfzigster tag ]

Januar 31st, 2008

deine augen als ein aquarell, im halbprofil, nah
und klar für augenblicke, bevor es sich auflöst
ins figurenlose

hinter den lidern flimmert meine nacht. vom fen-
ster treibt das geräusch des steten regens her

ich ringe meine abscheu gegen die mühevollen
atemgeräusche des zimmernachbarn nieder und
starre erneut einem müden morgen entgegen


[ fünfundvierzigster tag ]

Januar 25th, 2008

einen hinterher getragenen konflikt nannte ich es
vor wochen. hätte vielleicht auch nachgetragene
liebe dazu sagen können, aber das schien mir zu
persönlich. zu treffend, auch. inzwischen ist ein
krebsgeschwür hingeschleppter schuld herange-
wachsen, schmerzensschwer, unübersehbar, un-
heilbar und so machtvoll anklagend, dass alle zum
schweigen gebracht sind. es macht mich wütend


[ dreiundvierzigster tag (II) ]

Januar 24th, 2008

es ist alles nicht schön, sage ich, und ich kann
jetzt nicht weiterreden, sage ich, der hals brennt
mir zu dolle. und: danke, dass du mich aushälst

sie lacht verhalten. sei nicht immer so streng zu
mir

ich bin nicht streng zu dir, ich bin froh, dass du in
meinem leben bist. aber das sage ich erst, nach-
dem ich aufgelegt habe


[ dreiundvierzigster tag ]

Januar 23rd, 2008

traum: eine person, an die ich mich nicht mehr
erinnere, kauft ein grosses gehöft, richtet in der
scheune ein museum ein und lässt – deshalb –
das haupthaus verfallen


[ vierzigster tag ]

Januar 19th, 2008

wahrlich kein schöner anblick, am morgen, rotäugi-
ger; doch irgendwann werde ich dich mögen, mit
all deinen schatten, scharten und zerknitterungen


[ vierunddreissigster tag ]

Januar 16th, 2008

dein pinsel zieht den regenbogen übers firmament
du malst das meer und seinen atem, wenn der mistral droht
du malst die ankunft und den abschied und dein alter ins gesicht
dein himmel brennt im feuer, nicht im abendrot

[ dreiunddreissigster tag (III) ]

Januar 15th, 2008

sing mir von der freiheit, vogel, sage ich. ihre ant-
wort ist ein lachen; es klingt … ich fasse das tele-
fon nicht mehr an, tagelang, aus angst, dieses ge-
fühl könne zu mir zurückkommen


[ dreiunddreissigster tag (II) ]

Januar 13th, 2008

die hungerkünstlerin besucht die station …
und bleibt. ihre kunst hat sie übermannt

es ist gut, dass sie hergekommen ist
es ist gut, dass sie bleibt
es ist nicht gut, dass sie hier ist


[ dreiunddreissigster tag ]

Januar 12th, 2008

(du. sag doch. du. sprich nicht mit mir.)

ist das die stille, die sie brauchen, fragt sie. ich
denke nach, nicke. dann lüge ich ein hörbares ja

(der rauch aus den schornsteinen röche nach
braunkohle, könnte ich ihn riechen, hier drin. ich
schliesse die augen und ihr seid fort.
)

(wann haben wir uns ohne schmerz geliebt, oh-
ne schuld? ohne dies endlose, dies mordende
schweigen?
)

(ich kann nicht mehr.)


[ einunddreissigster tag (II) ]

Januar 11th, 2008

ein schatten; stehst du in meinen traumgehegen
sprichst in den blättern, in den zweigen, schweigst
vor der morgensonne über die äcker hin einen kühlen
wind, du weinst mir einen abendnebel zwischen die
steine, wo die namen, vergessen, herausgefallen
sind; so legst du dich hin, vor meine schritte. bleibe


[ einunddreissigster tag ]

Januar 10th, 2008

ich wickle einen schaumstoffwürfel in meine kapu-
zenjacke, trage das bündel vor mir her durch den
raum. entscheidungen, sagt der kopf, und: du
bist meine schwere wahl

dann fliehe ich durch den nahen forst; ein fleck-
chen morgensonne hält mich auf, verspricht den
frühling. ich kann nicht, sage ich


[ sechsundzwanzigster tag (II) ]

Januar 6th, 2008

sie kreischt: wegen euch hätte ich fast selbstmord
gemacht. sie reckt mir ihren dicken unterarm entge-
gen, pflaster verdecken lang und schmal die schnei-
dende anklage. das will ich gar nicht sehen, sage
ich und stehe auf; und im hinausgehen: ich mache
bei deinem spiel nicht mit

bohrende kopfschmerzen in der nacht. am morgen
schrillen hirnschalmeien zum bombengewitter, dass
ich den unterhaltungen am tisch nur mühsam fol-
gen kann

kleine bühne, grosses theater. falsche wunden mit
viel zu echtem blut. ein thriller, episodendrama, sei-
fenstück: meine tägliche schwarzwaldklinik. es be-
rührt mich. es geht mich an


[ sechsundzwanzigster tag ]

Januar 5th, 2008

das ist mein platz, sagt sie, hebt im gleichen augen-
blick auf der gegenüberliegenden seite des kreises
einen stuhl auf und trägt ihn mir entgegen. das war
ein test, sage ich, nehme unverzüglich den stuhl, auf
dem ich gesessen habe, auf, und trage ihn an die
stelle, die sie soeben verlassen hat. wir schauen uns
an. ein test, fragt sie, ihren kopf schief haltend, hal-
bes lächeln im gesicht. nein, ein witz, sage ich. dabei
lache ich, wie zum beweis


[ fünfundzwanzigster tag ]

Januar 4th, 2008

hingewischt in wasserfarben: eine hand greift nach
einem wohlgeformten apfel, rot. fertig. die anderen
malen noch, ich beobachte was und wie. dann grei-
fe ich erneut zum pinsel und tünche den hintergrund
zu hellem grau

– du hast nur eine hand gemalt; aber die aufgabe
hiess doch „wie ich einen apfel vom apfelbaum
pflücke“. wo bist denn du da zu sehen, auf dem
bild? ich würde gern den ganzen kerl sehen

pars pro toto. oder: mein mosaikenschwindel. unter
den bunten scherben bleibt die person verborgen


[ zweiundzwanzigster tag (II) ]

Januar 2nd, 2008

laute fröhlichkeit auf den fluren, kanonen
zerschlagen vor den türen die nacht; so
viel lärm. unendliche traurigkeit. kein ort
zum verstecken, zum entrinnen kein ziel


[ zweiundzwanzigster tag ]

Januar 1st, 2008

ich wüsste endlich einen wunsch zu malen:
mich, dich, alle, alles zu vergessen. weiss
auf weiss. farbe über farbe, licht über licht


[ achtzehnter tag ]

Dezember 28th, 2007

„meine wünsche für das neue jahr“ – und dann den
namen, das datum

– und was, wenn ich keine wünsche habe?
– gar keine wünsche? keine vorstellungen, was im
neuen jahr an schönen dingen passieren könnte?
– nein. und keine wünsche

mein blatt bleibt leer. weiss. weiss wie weisses rau-
schen. oder wie die summe aller farben des lichts


[ fünfzehnter tag ]

Dezember 27th, 2007

ein amphibischer tag, der ebenso enden wird, wie
er begonnen hat: mit roten krötenaugen, im ver-
borgenen. (kein tag zum reden, heute, sage ich.)


[ vierzehnter tag (II) ]

Dezember 26th, 2007

kann
ein mensch aus
einander
brechen in
stücke
allein
weil er den anderen
vermisst


[ vierzehnter tag ]

Dezember 25th, 2007

froststarre kälte draussen. auf kurzen spazierwegen
nehme ich die kristalline schönheit winterkahler zwei-
ge wahr, auf denen sich das licht der trüben mittags-
sonne bricht, blinkend und blitzend, zündelnde lun-
ten feinsten eises; mein herz erreicht sie nicht

ausgestorben scheint das haus: das weihnachtsfest
lockt seine opfer in heimatliche depression zurück;
dennoch gibt es kaum stille, nicht wirklich platz, nicht
raum für rückzug und privatheit, meine einsamkeit. a-
bends, endlich, suche ich ein zimmer, in dem ich un-
gestört mit m. telefonieren kann

was hätt ich anderes ihr sagen können, damals, als:
ich möchte mit dir leben, frage ich und weiss, dass
wenn irgendwer, dann sie diese, meine welt verste-
hen kann, die fragen, schwierigkeiten und das ‚da-
mals‘ auch. (oder ehrlich gesagt: ich hoffe es.)

bevor die tränen unaufhaltbar werden, lege ich auf