freitag, 29. mai 2009
„konzertlesung“
forum2, münchen
( mehr infos )
beginn: 20:00 uhr
Archive for Mai, 2009
[ konzert: münchen, 29.05.2009 ]
Donnerstag, Mai 28th, 2009[ wohin? ans meer ]
Montag, Mai 25th, 2009
ans meer, sagtest du. ich erschrak. so ein-
fach geht das nicht, eben mal so ans meer …
(im folgenden erfand ich tausend ausreden)
als du das nächste mal bei uns warst, ignorier-
ten wir das aufziehende unwetter, ignorierten
wir das zögern, das zerren in den betagten ge-
lenken, sattelten wir sozusagen auf, ohne auf-
zusatteln und zogen los, einfach eben mal so
hätten wir nicht unterwegs deine kamera ver-
loren, wären wir nicht deshalb vorzeitig um-
gekehrt (um das wertvolle stück tatsächlich
wiederzufinden), wir hätten dein ziel erreicht
nein, wünsche versetzen keine berge; viel-
mehr bringen sie uns in bewegung, dich und
mich und die ewige famile auch, unsere alt
gewordenen, unsere jung geliebten begleiter
wohin?
ans meer
wohin??
irgendwohin
foto: ans meer
12. mai 2009
[ maniküre II ]
Donnerstag, Mai 21st, 2009[ in der sonne ]
Dienstag, Mai 19th, 2009
unser weg führt uns an einer alten mauer
vorbei, hinter der ein kleiner garten ver-
borgen liegt. das tor steht offen. zwisch-
en den schlanken steinen steht eine frau
in gebückter haltung. hohe bäume über
schmalen beeten, dazwischen rasen, licht-
durchflutete schatten. links ist ein gebäu-
de scheinbar aus der umfriedungsmauer
hervorgewachsen. ein mann tritt heraus
ob wir hereinkommen können, frage ich
seid ihr jüdisch?
nein; ich bin seit sechsundzwanzig jahren
hier vorbeigelaufen, ohne jemals einen
menschen angetroffen zu haben – und ich
würde doch so gerne einmal hineingehen
nein, heute geht es nicht, aber wir verab-
reden ein telefonat. und der mann wendet
sich wieder dem inneren des gartens zu
seid ihr jüdisch? ein kräftiger, grauhaariger
mann fortgeschrittenen alters ist neben uns
stehen geblieben, weist mit der hand in den
garten: die meisten sind russen. ich bin grie-
che, wohne seit dreissig jahren hier und ha-
be diesen ort noch nie gesehen. heute, zum
ersten mal … ja, die tore sind geöffnet
nein, sagt er, er sei agnostiker. glaube ist
etwas für die dummen. mit glauben ver-
dienen manche geld. ich bin selbst genug
er tippt mit den fingern auf seine brust:
wer ein bisschen gehirn im kopf hat und
zuhören kann und und schauen und sich
etwas merken und wenn man in der welt
reist, dann braucht man keine universität
und dann braucht man keinen glauben
wie wir auf die erste, die griechische demo-
katie zu sprechen kamen, die freiheit nur
den mächtigen zubilligte, nicht ihren skla-
ven, weiss ich nicht. wir mochten uns, wir
plauderten und warm schien uns die sonne
ich: die leute hier im norden haben kein
geld, keinen geschmack und keine kultur
er: aristoteles hatte eben recht, als er sag-
te, unter zwanzig grad wächst keine kultur
so stehen wir vor dem tor zum jüdischen
friedhof in der sonne und sprechen mit ei-
nem unbekannten. dann tauschen wir un-
sere namen, verabschieden uns herzlich
[ status: ausgelassen ]
Dienstag, Mai 12th, 2009
alte bekannte sind sie, die sich noch zu mö-
gen scheinen, sagen wir und schauen zu, wie
sie miteinander spielen, neugierig wie kinder
später werden wir schweigen, uns halten, ver-
wundert, wie wir es aushalten konnten, nicht
gehalten zu sein; das ist uns das schlimmste
vor dem kühlregal mit den üblichen verwesen-
den fleischwaren bleibst du stehen, hechelst
wie ein hund, weit heraushängende zunge, ich
muss dich fortziehen, fortschieben, mit dir rin-
gen, bis zur kasse, lachend, atemlos und die
leute, die schauen, schauen sehr befremdet
[ volker bradke. eine würdigung ]
Dienstag, Mai 5th, 2009
irgendwie kommen wir immer wieder auf den brad-
ke zu sprechen und dann gebe ich gerne zum be-
sten, wie er mich eines morgens in einem marbur-
ger café ansprach, als ich an irgendwelchen tex-
ten arbeitete, wie ich ihn also kennenlernte ohne
zu wissen, wer er war, wer sich mir da vorstellte
er aber wusste; erzählte mir später oft – zornig –
wer er gewesen war, oder besser: was
da hatte ich jenes photo schon gemacht, das ihn
zeigte, wie er mir erschien: undeutlich. unscharf
sich auflösend. weil er soff; weil er, wie ich bald
erfuhr, es nicht ertragen hatte, nie so viel, nie
dem gleich geworden zu sein, wozu ihn 1966 ein
gerhard richter gemacht hatte: zum kunstwerk
richter hatte ihn herausgehoben aus dem zettel-
kasten seiner zeit, herausgehoben ins licht öffent-
licher betrachtung – wie vordem andy warhol eine
suppendose – hatte ihn gehalten, bis diese geste
ausreichend gewürdigt worden war und ihn fallen
gelassen, sich neuen aufgaben zuwendend auf
seinem weg berühmt – unbezahlbar – zu werden
eine der vielen wahrheiten, die stets im nachhin-
ein dazu gefunden werden, ist, dass der richter
den bradke nicht leiden konnte, diesen am rand
der düsseldorfer kunstszene herumschlacksenden
studierten mit hornbrille, der sich anschickte, lek-
tor zu werden. für richter war er das abbild des
spiessers, ein belesener schwätzer vielleicht, ein
intellektualisierter kleinbürger mit marxistischem
bildungshintergrund. aus rache an ihm, stellver-
tretend für seine zeit, vermute ich, hat richter
sein konterfei vom photo abgemalt, ein filmchen
gedreht, zwölf wackelige minuten lang, hat ihn
ins zentrum einer ausstellung gesetzt, den brad-
ke, der den ruhm nicht würde ertragen können
der in bedeutungslosigkeit würde zurückstürzen
müssen, weil er gegen die kunst eines der gross
werdenden nichts zu setzen hatte; der aushalten
musste, wie sein abbild im kunsthandel steigen-
den wert erfuhr – heute liegt er geschätzt bei ei-
ner million englischer pfund. so viel geld für sein
gesicht auf leinwand, während er selbst in der
mitte jedes monats regelmässig die stütze ver-
soffen hatte in den phasen der depression, ver-
schenkt in den phasen der manie; der sich ver-
schuldete, der verfiel, weil einzig der alkohol bei
ihm blieb, als niemand mehr da war, seinen an-
fangs noch kraftvoll spitzzüngigen, ja, durchaus
originellen aphorismen zuzuhören
niemand brachte ihn, seine kleine kunst heraus;
niemand wollte wirklich hören, was er zu sagen
hatte; vielleicht wollte man an ihm sehen, wie er
als kunstwerk geschaffen war; vielleicht auch
hat man ihn als person einfach nur vergessen
auch ich habe ihn sich selbst überlassen. unseren
gemeinsamen auftritt am 03. november 2003 in ei-
ner kleinen und wohl nur darum gut gefüllten mar-
burger kneipe meisterte bradke nüchtern – zum
erstaunen aller, die ihn näher kannten. schon am
nächsten tag war alles wie zuvor. vielleicht aber
erinnere mich mich nicht richtig und er hielt zwei
tage länger durch, bis er in seine trunkene ein-
samkeit zurück sank. hielt ich ihm seine haltlosig-
keit vor, beschimpfte er mich. so stritten wir oft
immer ging es ums ganze. „gerade weil ich dein
freund bleiben will“, sagte ich, „werde ich nicht
zuschauen, wie du dich totsäufst“. und ging fort
so hat die kunst ihn getötet. ein gerhard richter
– oder dessen kleinlichkeit – hat ihn 1966 zum
ersten mal hingerichtet; einer wie ich tat es ihm
gleich, gut vierzig jahre danach, mit gnadenlosem
voyeurismus. vielleicht haben wir das so nicht
gewollt; aber gebraucht haben wir ihn allemal
man braucht die bradkes immer
foto: volker bradke
marburg, 29. september 2004
[ drei mal drei ]
Sonntag, Mai 3rd, 2009
du bist dir treu geworden, sage ich. erwach-
sen, denke ich. sehe sie in jedem detail: sie
ist einsam geblieben; hat sich eingerichtet
sonnenlicht schlägt durch die schrägen fen-
ster. ich sollte sie mit aluminiumfolie zukle-
ben, sagt sie, oder wird es dann zu dunkel?
auf dem dach gurren die tauben laut und
wecken mich vor der zeit. so kann ich sie
schlafend sehen, klein, eine decke im arm