Archive for Juli, 2008

[ … vegan? nein, nicht ]

Samstag, Juli 26th, 2008


3000 Nerze freigelassen – Schlesen – Unbekannte
Täter haben in der Nacht zu Dienstag 3000 Nerze von
einer Tierfarm in der Gemeinde Schlesen (Kreis Plön)
aus ihren Käfigen freigelassen“
kn (25-07-2008)

das klingt wie eine gute nachricht. das klingt, als ob ein
paar mutige versucht hätten, tieren eine chance zum le-
ben zurückzugeben, die die menschliche verwertungs-
logik nicht vorsieht: pelze hätten daraus werden sollen

natürlich wiegelt der zeitungsartikel den politischen zu-
sammenhang herunter, natürlich werden sämtliche tie-
re eingefangen, natürlich werden die am ende dennoch
befreiten tiere einen schrecklichen tod in freiheit ster-
ben, einer diesen fremden feindlichen freiheit … wie ein
solcher artikel schliessen muss, ist hinlänglich bekannt

so weit, so schlecht

auf directaction.info ist ein bekennerInnen-schreiben
zu finden, in dem es abschliessend heisst: „gewidmet
ist diese aktion den gefangenen tierrechtlern aus
österreich!“
. wer nicht informiert ist, was sich derzeit
diesbezüglich in österreich tut, kann hier nachlesen

so weit, so viel schlechter

ich weiss, ich gehöre zu den spielverderbern. ich ge-
höre zu den nicht leicht zu begeisternden. ich zähle
zu denen, die um verständlichkeit, um vermittelbar-
keit von inhalten bemüht sind. der begriff „vegan“ ist
dem normalen menschen ein schwer verständlicher

der vorgebliche „schutz“ von leben spielt sich im per-
sönlichen ab oder auf der abstraktionsebene von pa-
ragraphen. der „schutz“ von tieren hat im tierschutz
seinen platz und seinen niederschlag im öko-etikett
der teureren bekleidung (beim geldbewehrten klien-
tel) oder in einem farbaufdruck auf dem frühstücksei
am morgentisch des übersatten bildungsbürgertums

„vegan“ ist ein im allgemeinen nicht verstandenes
fremdwort, das eingang gefunden hat auf speise-
karten, auf kosmetikpackungen, auf mehr oder we-
niger umstrittenen lebensmittelmarken in bioläden
und als modeartikel auf tshirts, in musiktiteln, als
tattoo auf jugendlicher haut. „vegan“ klingt gut
und jung und modern und politisch … irgendwie

ich erspare mir das wiederholen alter litaneien, ver-
weise auf (meine) alte polemik – und mache es kurz:

das befreien gefangener tiere ist selbstverständlich
eine notwendigkeit, soll aktiv gegen tierverbrauch-
endes menschenverhalten vorgegangen werden …
wenn dadurch auch nur für augenblicke und an we-
nigen orten freiheit entsteht; individuell ansetzen-
der widerstand kann selbstverständlich nur punk-
tuell vonstatten gehen. eine direkte aktion hat
immer symbolcharakter, hat immer eine botschaft

das „widmen“ einer tierbefreiungsaktion für men-
schen
schafft falsche zusammenhänge, schafft fal-
sche fakten und funktionalisiert die nun nicht mehr
„befreiten“, sondern „benutzten“ tiere zu werkzeu-
gen. wo vorher die befreiung – respektive „die frei-
heit“ – im vordergrund stand, steht also der zweck

dies ist politisch nicht vermittelbar. solches han-
deln ist nicht „vegan“; allenfalls äusserst unklug


[ angeblich kommt etwas neues ]

Donnerstag, Juli 24th, 2008

der sommer komme zurück, heisst es. wohin, frage ich

als ich aufwachte, klebte nebel über den wiesen. der
himmel war streifig von blut, aber still. noch drei stun-
den, dachte ich. und träumte weiter einen dieser träu-
me, die am nächsten morgen so wortkarg machen

zäh war dann der ganze tag, ich kenne das zu gut;
du kommst nicht aus den hufen, die post kommt zu
spät oder nicht, jeder anruf wird verpasst und eigent-
lich ist das egal, denn keiner würde dich weiter brin-
gen. wohin auch? hier ist es schlimm genug: deutsch

angeblich kommt etwas neues; dieser gedanke will
mir nicht aus dem kopf. leider weiss ich nicht, wie er
entstand. während ich dies schreibe, klingelt das tele-
fon; ich lasse klingeln. ich gehe nie ran, wenn ich be-
schäftigt bin. und wenn die person dreissigmal kling-
eln lässt, rufe ich sowieso nicht zurück. nicht heute

der sommer kommt zurück, heisst es. aber ich glaube
nicht mehr so leicht, was geheissen wird. und miss-
trauisch frage ich: wohin? ausserdem gäb es gerade
so vieles, was mir lieber wäre, käme es zurück; vieles

als ich aufwachte, klebte nebel über den wiesen. der
himmel war streifig von blut. so wie deine worte, die
mir viel zu selten von deinem leben erzählen, die mich
heiss und kalt machen, die kommen sollen, zurück und
über mich wie … wie ein sommer. nein, wie zwei, drei
sommer und wir beide mittendrin. sag: zucker. sag: ne-
bel. sag: blut. da lachst du leise. die nacht ist vorbei


[ neben dem leben. koma ]

Dienstag, Juli 15th, 2008

sein gesicht hängt ein wenig schräg, seine haut ist grün-
liche leinwand. hinter halb geschlossenen lidern wandern
unruhige augen. so fremd ist der freund; ich kann ihn nicht
berühren. in seinen mundwinkeln speichelblasen, auf dem
monitor über dem kopf leuchten zahlen. ruhepuls, sagt a.

im hals steckt ein schlauch, knapp unterhalb vom kehlkopf
hineinmontiert. a. streichelt den stoppeligen schädel, sagt:
so flaggt ‚r ällweil umanand, die faule sau. da lächelt er

dass sich für einen augenblick seine mundwinkel hoben
– dass er uns angelächelt hat – erzählen wir in den näch-
sten tagen denen, die ihn im leben kannten


[ domina noctem ]

Freitag, Juli 11th, 2008


hey, lasse mich gern von dir beschimpfen … gute nacht

05:27, sagt das telefon. kraftlos wie ein dominostein-
chen kippe ich in meine träume zurück, die plötzlich
durchrauscht sind von meer und strand und wind und
sonne und der glut unserer heimlichen nächte


[ abends am bahnhof ]

Donnerstag, Juli 10th, 2008

was es dir eingebracht hat, weisst du erst am schluss

meine antwort knipst ihre frage aus wie ein licht. einen
schnitt machen, denke ich. mit einer halben drehung
des oberkörpers wende ich mich ab, gleichzeitig ein
schritt rückwärts, distanz schaffend

überraschend fest ist ihr händedruck, überraschend
klar schaut sie mir in die augen, lange, überraschend
schnell lockert sich ihr griff, als ich meine hand zurück-
ziehe

d. steht neben der szene wie ein requisit, alkohol lässt
seinen oberkörper schaukeln, sein blick rollt zwischen
uns her wie in alter kahn in der dünung und zum glück
sagt er … nichts

spätabends auf dem klo sitzend, die zahnbürste noch
im mund, schrille töne im kopf, bilder, fragen, spüre ich
diesem abschied hinterher. (erleichterung?)


[ sterbehelfen am hindu kush ]

Freitag, Juli 4th, 2008

zusammendrücken, schnüren, packen, dann bin ich
wieder unterwegs über die hügelchen und durch die
niederungen der deutschen kulturlandschaft. hielte
mich nicht so viel persönliches hier, ich müsste wei-
terfahren. allein schon wegen des verbalen auswurfs
der bundesobfrau merkel, sie sei „absolut gegen je-
de Form der aktiven Sterbehilfe, in welchem Gewand
sie auch immer“
, so verlautbarte sie gestern, daher-
komme

für sich genommen wäre dieser satz kein grund zum
abreisen; demagogische sprüche machen im lager
der mächtigen derzeit die politische tagesordnung
aus und bestimmen die sprache der ihnen an den
lippen hängenden medien – es ist die darauf folgen-
de nichtreaktion der masse schlafender geister in
diesem … flachen … land

seit anfang juli ’08 ist deutschland aktiv an kriegs-
handlungen in afghanistan
beteiligt; erstmals seit
ende des zweiten weltkriegs offen, unverborgen
und – vor allem – nahezu ohne widerstand im in-
und ausland. diese gewerblichen sterbehelfer in
uniform wird merkel vermutlich nicht gemeint ha-
ben, nicht die soldaten, die als botschafter einer
neuen deutschen leidkultur diese mit aller konse-
quenz verbreiten

merkel meinte menschen, die sich freiwillig für ihr
ableben entschieden haben, weil ihnen ein lebba-
res weiterexistieren ohne positive aussicht schien

vielleicht bin ich zu streng, zu konservativ in der
auslegung meiner freiheitlichen lebensideale, zu
nah dran am sozialen geschehen und frau merkel
dagegen nur auf der höhe ihrer zeit: wo das recht
auf das kleinste
beengt, bis ins kleinste beschnit-
ten, in bürokratische regeln gezwungen ist, kann
– logisch? – ein recht auf selbstbestimmung im
sterben nicht unberührt, soll heissen: nicht be-
stehen bleiben

abhaun„, sage ich und fahre an die letzte tank-
stelle vor der autobahn richtung süden


[ trash-archiv: ich singe immer noch (live 2004) ]

Donnerstag, Juli 3rd, 2008

dann kam die letzte zugabe des konzerts. meine
stimme – dank einer erkältung – war komplett ‚im
eimer‘, wir waren müde, das publikum schien zu-
frieden … und wir spielten gnadenlos einen fehler
nach dem anderen und hatten eine menge spass
dabei. normalerweise wird sowas ja geschnitten
und geschnippselt, geschoben und geschönt; ja
so verlogen ist das musikgeschäft. wir auch. aber
heute gibt’s eine ausnahme – und daher fast un-
geschminkt jenen chanson, mit dem über lange
zeit der schlusspunkt aller peryton-konzerte ge-
setzt wurde

„ich singe immer noch“ (live am 11.03.2004. 5:43min)
(mp3; 9,3mb) (ogg; 6,5mb)


[ trash-archiv. daniel verdier, solo ]

Mittwoch, Juli 2nd, 2008

kein konzert ohne zugaben. die folgende aufnahme
zeigt ‚meinen‘ daniel erneut von seiner übermütigen
seite: am vorangegangenen (konzert-)abend (in der
leipziger „froschburg“, die leider inzwischen geschlos-
sen wurde) hatten wir beide uns unmässig … äääh …
hatten wir uns recht hemmungslos dem alkohol hinge-
geben; einerseits, um meiner erkältung den garaus
zu machen, andererseits, weil es sich als würdigen
abschluss eines feuchtfröhlichen musikabends anbot

„daniel verdier – solo“ (live am 11.03.2004. 1:39min)
(mp3; 2,5mb) (ogg; 1,4mb)


[ trash-archiv: weisst du (live 2004) ]

Dienstag, Juli 1st, 2008

von diesem chanson gibt es inzwischen einige nette
live-versionen, die allerdings allesamt nicht sehr viel
mit der studio-aufnahme zu tun haben, die auf der
neuen platte zu hören sein wird

direkt vor der kleinen bühne – und also nicht weit von
meinem mikrophon entfernt – sass der berliner lieder-
macher thomas vallentin, der eigentlich zum foto-
graphieren eingeladen worden war, später aber zum
mitsingen überrumpelt werden sollte. als wir „weisst
du“ intonierten, wusste er von unseren hinterhältigen
plänen noch nichts; er pfiff spontan, ungehemmt und
fröhlich eine zweite stimme, die fast immer passte

„weisst du“ (live am 11.03.2004. 3:16min)
(mp3; 4,2mb) (ogg; 2,9mb)