Archive for Juni, 2007

[ die pilze eines ausradierten waldes sucht niemand in den strassen ]

Samstag, Juni 30th, 2007

das spiel geht so: ich stosse dich, du fällst um. bumm

wir spielen totsein, wechselweise und zugleich. wer sich
bewegt kriegt backpfeifen, ganz leicht, eine rechts, ei-
ne links, du blinzelst in die sonne, lachst. deine breite
zahnlücke sagt: ich wachse ins leben hinaus. stosse
mich, dann fall ich um. bumm

wann hast du aufgeschlagene knie nicht mehr nach-
hause getragen? wann hast du angefangen, die hände
zu waschen gegen dein gefühl, das dich ihnen gleich-
machte und den anderen anders? du hast mit deinem
speichel gegenan gerieben und weil das nicht half, ge-
weint vor wut. so hast du gelernt, dich zu bespucken:
schmutz bleibt schmutz, schande bleibt schande und
aus der ohnmacht wächst wut. das spiel geht so: ich
stosse dich und du fällst um. bumm

vier jahrzehnte später kann ich sagen: es ist alles nicht
so schlimm gewesen. wo der mais seine scharf gezähn-
ten blätter hart gegen den sommer reckte, wo wir ver-
stecken spielten im heissen staub des ackerbodens, da
wuchsen bald häuser auf. der hamster starb ungesehen
und die pilze des ausradierten waldes suchte niemand
in den strassen. vorbei. es ist ja nicht so schlimm gewe-
sen, habe ich von euch gelernt und: alles hat seine gu-
ten seiten. das stimmt wohl. wer seinen hund streicheln
kann, vermag ebenso ein kälbchen zu schlachten. es
hat seine richtigkeit

sage mir nicht, dass du mich liebst; ich kann dir nicht
glauben. meine blutenden knie zeige ich dir nicht. wenn
ich weine, meine kleine, erreiche ich dein herz. das spiel
geht nämlich so: ich stosse dich und du fällst um. bumm


[ siebenschläfer ]

Freitag, Juni 29th, 2007

der regen schoss waagerecht, faustgrosse tropfen, als
das auto auf dem standstreifen verstotterte: schlimmer
konnte es kaum kommen. ich erreichte mein ziel den-
noch. und gegen alle vernunft. ein zwischenhalt, kurzes
aufatmen; wäre meine unruhe nicht gewesen, bliebe ich

hier soll inzwischen das chaos ausgebrochen sein, höre
ich; alles nur der hormone wegen. ach, die jungen leut‘ …

morgen, entscheide ich (das wievielte mal?), ab morgen
wird mein leben in geordneten bahnen gehen. während
ich, so sei es, an anderem ort die unordnungen suche

siebenschläfer. der kühle regen knallt, dass mein tinni
tus eingeschüchtert leiser pfeifft. auswandern, entschei-
de ich, übermorgen, der klimakatastrophe hoffnungsvoll

entgegen


[ hinter dem gipfel ]

Dienstag, Juni 26th, 2007

dieses land, sagt er, ist wie ein grosses hotel. wir haben
klimatisierte zimmer und eine fürstliche suite, in der keller-
bar dreiundvierzig sorten rum, unsere küche ist internatio-
nal, selbstverständlich. aber eisbein mit sauerkraut ist bei
den älteren gästen immer noch die nummer eins und dann
und wann verkehren hier auch jüngere damen, bei denen
wir ein auge zudrücken, gegen trinkgeld. aber wir sind ein
ehrenwertes haus. wer es sich leisten kann, lebt schlieslich
überall besser, da machen wir keine ausnahme. ausser bei
zigeunern und so, das geht natürlich nicht. wegen den an-
deren gästen. der kunde ist könig. wir legen wert auf die
traditionen und pflegen sie. ja, im sommer ist es hier räu-
dig
heiss, manchmal, aber der strand ist nicht weit. im
winter ist geschlossen, weil da keine saison ist

man wischt dir die mundwinkel sauber, blicke von den sei-
tentischen. die hauptsache ist, du stinkst nicht mehr als
nötig, nicht mehr als die anderen und du stirbst ordent-
lich. aber weiss musst du sein; nein, gegen neger haben
wir hier nichts einzuwenden, solange sie bezahlen sind sie
gäste wie alle anderen. man kann ja nichts dagegen tun


[ mühle im kopf ]

Montag, Juni 25th, 2007

das hirn ist übervoll: geräusch. ‚tinnitus‘. der name klingt
so giftig, wie es sich anfühlt. blog out. der morgenvogel
ist kein federvieh und klappert nicht am rauschenden bach
– das bist du selber, in dir drin. doch wo ich gestern zelte
abriss, wachsen hoffnungen auf. irgendwann gibt neues
ruhe. dann kommen mir die wort wieder und die melodien;
bis dorthin: tosende tonlosigkeit. eine mühle im kopf


[ anders. nicht so ]

Montag, Juni 18th, 2007


 

er grüsst vom schloss, ’seltsam traurig‘ liege es, ‚ohne euch‘

das ‚euch‘ verstört mich; so ist es nicht. denn träfen wir uns an
gesuchten plätzen, verliessen und verlören wir uns auf den ge-
trennten wegen, stets darauf bedacht, uneingenommen zu sein

angst? nein. sicherheit. wir müssen uns die regeln nicht erklären
 

foto: heidelberg, 01. mai 2007
aufnahme: dorothée
copyrights: peryton & dorothée © (2007)


[ lesefutter: „Nennen Sie es Hooliganismus“ ]

Sonntag, Juni 17th, 2007

ein interview mit michael kronawitter (berlin) im `stern´
über „gewalttätige proteste beim g8-gipfel“. lesenswert


[ sommerräude. winterwahn. in den kellern musik ]

Donnerstag, Juni 14th, 2007


 

erkennt ihr? das ist ein geiger. hört ihr? so klingt es in den
kellern, staubig, in der kühle der schatten, überm haupt
das dröhnen der haubitzenmusik, die hände zittern wie bei
den alten, dass der kaffee vertropft neben die untertassen

das ist ein geiger, erkennst du? die farben muss man weg
lassen; hinter den lidern brennt die sonne weiter. kometen
unter dem stirnhimmel, das fieber zieht einen buschbrand
über meine haut, ein bauchnabelsee, pelikane und das auf-
gerissene land beginnt zu blühen. morgen, sagst du, mor-
gen wird alles gut sein. trotz aller zweifel kommt der schlaf

der geiger. hörst du? so klingt es in den kellern, in der küh-
le der schatten und morgen, sagst du, der winter. die wüste
macht einsam
, dass ich dir glauben will: ja, liebste, morgen
 

foto: performance zur finissage der ausstellung
‚übermn fluss‘ in der deutzer brücke

köln, 05. april 2007


[ ich bin ein ausländer, herr schäuble ]

Mittwoch, Juni 13th, 2007


 

voll schade, eigentlich, dass es diesen typen damals nicht
richtig erwischt hat, sagt sie und ich schlucke, verzögere
meine antwort, weil ich mir nicht sicher bin ob das, was
mir spontan dazu einfällt, als deeskalierend zu bezeichnen
wäre. mein langes einatmen, dann: ich weinte nicht um ihn

doch augenblicklich springt mich an das schlechte gewissen
des untertanen, des biedermannes, des an den zitzen der
staatsmutter wimmernden, ich neige mein entleertes haupt
in demut, gelobe, offenzulegen das befohlene: meine inner-
sten gedanken, die heimlichsten gelüste, mein autonomes
selbst
. ja!, rufe ich, ich will dir die kontrolle geben, ich gebe
meine freiheit freiwillig auf, deinem wunsch gemäss, der mir
himmelswort ist, der mir segen ist, verehrtester ministers
des intimsten, oh du, mein heiliger stuhl, bewahrer un-
ser aller sicherheit auf deutschlands erden bis rüber zum
hindukush in ewigkeit deutsch sind wir armen!

so will ich denn vorangehen, zum zeichen meines guten will-
ens, meiner reue gegen die zeichen unheimelicher fremd-
heit im land des ewigen feuers, also will ich vorangehen, dei-
ne botschaft zu künden, dein wille mein wort, dein kreuz mein
schwert, trommler dem tauben, dem blinden die hand, dem
kalb der strick, ein wächter am tore eines deutschen him-
mels sein: zeigt her eure fingerabdrücke, ausländer, damit
ihr gezählet werdet!
 

scan: fingerprints
kiel, 11. juni 2007


[ ich bin ein autonomer, herr schäuble ]

Dienstag, Juni 12th, 2007

ja, ich bin genervt. die jubelmeldungen über den erfolg-
reichen vollzug der grossveranstaltung ‚g8‘ gehen durch
die schamlose presse. eintausendeinhundertsechsund-
vierzig demonstrierende festgenommen; immerhin wa-
ren die käfige fünfundzwanzig quadratmeter geräumig;
unvorstellbarer wohnluxus für das akkordhuhn, das am
nächsten sonntag auch auf deinem teller liegen könnte

seit öffentlich wurde, dass die angaben der polizei zur
zahl ihrer verletzten gelogen waren, wird nicht weiter
gefragt über die zahl der zivilen verletzten und über die
umstände, wie sie zu schaden kamen. das alles nennt
sich demokratie. oder so ähnlich. aber das ist ja auch
nicht wichtig, denn eigenständige menschen – autono-
me, herr schäuble! – können derartiges nicht akzeptie-
ren. freiheit ist das bessere ziel. zumal ein erreichbares

mein vorschlag für den nächsten g8-gipfel, 2008 in ja-
pan, ist ein einfacher. wenn die selbsternannten mäch-
tigen ausser landes sind, holen wir uns die parlamente
zurück, räumen aus, was zurückgeblieben ist an altem
muff und mott und sprechen über alle kanäle in unser-
er eigenen sprache: freiheit ist genauso wenig herstell-
bar wie frieden; aber der anfang muss getan werden


[ zwei stühle, kein tisch ]

Freitag, Juni 8th, 2007


 

zwei stühle, kein tisch, im hintergrund eine uhr. wir reden
über dich. über ideale, imagination, das paradies (da lache
ich), dass du ein teil meiner musik bist und der sprachlosig-
keit auch. im engen hals ein brennen, im kopf ein ‚fall nicht
auseinander!! fall nicht auseinander!!‘ und dann stehe ich
wieder im leben, eine strasse, warmer wind, sonne von ü-
berall, ich fühle mich erleichtert. nein, ich schreibe dir nicht
 

foto: heidelberg, 01. mai 2007
aufnahme: dorothée
copyrights: peryton & dorothée © (2007)


[ g8 und medienmacht ]

Donnerstag, Juni 7th, 2007

all jenen, die den meldungen der bürgerlichen medien
und polizeiberichten nicht trauen, gilt mein verweis auf
die unabhängige informationsplattform „indymedia“, die
von den vor ort anwesenden menschen gemacht wird

… und plötzlich sieht eure wirklichkeit ganz anders aus


[ 05. juni 2007 ]

Mittwoch, Juni 6th, 2007

ich muss dir schreiben. die morgenruhe ist zerklirrt, seit
wochen schon. ich muss dir schreiben. dann überdeckt
alltagsgetriebe meinen wunsch, die stunden überrennen
sich, verdunkeln stets, trunken, manchmal – oder auch
mehr – die tage sterben abends widerstrebend aus; ich
habe wieder nicht …


[ es bleibt die frage (nach) der gewalt ]

Dienstag, Juni 5th, 2007

die aktuellen geschehnisse am rande des sogenannten
g8-gipfels‘ verlaufen gemäss der erwartung der herr-
schenden, die sich auf bürgerkriegsähnliche zustände
vorbereiteten. „eine historische wende“ könnte das sta-
tionieren von militär genannt werden und ebenso, wie
das demonstrationsrecht der gipfel-gegnerinnen be-
schnitten wird – mit billigung durch das bundesverfas-
sungsgericht
. dass die verantwortlichen damit letzte
‚demokratische legitimationen‘ verloren haben, steht
ausser frage: es ist eine frage der gewalt

ich lausche den wellen des bodensees; augenblicke ge-
spannter stille vor dem ausbruch des gewitters. unruhig
bin ich, zu weit von den freunden entfernt – es trifft die
falschen. ich wünschte mir die flammen mitten in berlin:
jenseits des rubikon fallen alle barrieren der vernunft