du bist zu ernst, erklärte einer später, als wir darüber
mutmassten, warum im publikum einzelne reden müs-
sen, laut, obwohl ‚unplugged‘ gespielt wird, also unver-
stärkt, zum hinhören leise. mich stört, was ich respekt-
los nenne. wenn mir was nicht gefällt, dann geh ich viel-
leicht raus; auf jeden fall halt ich mein maul: respekt
vom koch kann auch kein mensch erwarten, so viel salz
ans delikate ranzuschütten, wie es der mehrzahl seiner
schnellschlingenden kundschaft mundet. wenn ich im
restaurant bestelle – „keine karotten, bitte, sonst kotz ich
quer über den tisch“ – wird diese zutat peinlichst mir
vermieden. doch würde ich niemals wirklich … nein, ich
bin nicht zu ernst; eventuell lache ich an anderen stellen
oder an den falschen. meist
mir wurde ein foto zugesandt von einem tier, in einer
sprengfalle verendet. man stelle sich vor: eine falle mit
sprengstoff, von irgendeinem durchschnittsirren jäger
in den wald gelegt, ein fuchs wird angelockt oder eine
katze … wumm. da bleibt doch jedes lachen weg, ange-
sichts von soviel wahnsinn. oder soll ich sagen: alltag?
mir bleibt dann, jene falsche stelle zu konstruieren, an
der meine lachen hörbar wird: ein hund … wumm. er
überlebt aus rache und wird … polizeihund. ein kind …
wumm. das empfinden die meisten menschen jetzt als
pietätlos, weil geschmacklosigkeiten gegen füchse, katz-
en oder hunde … aber gegen menschen? kinder?? und
die aussicht auf ein kind, das verkrüppelt wird und aus
rache selbst zum jäger oder polizisten … nein. vielleicht
wollte es bundeskanzler werden, aber krüppel haben
keine echte chance, bundeskanzler zu werden; allenfalls
minister des inneren, wie der bundesdeutsche alltag
zeigt: der rollende wahnsinn
nicht auszudenken, wenn der schäuble noch einmal in
eine situation gerät, die er als ein anschlag auf sein le-
ben empfindet – um uns zu retten hülfe dann nur noch
der gnadenschuss
und da war es wieder: mein lachen. an der falschen
stelle. das lachen im bett. das lachen in der kirche. der
falsche ton im orchester. spielen alle leise, kommt der
durch. im deutschen demokratischen orchester, aller-
dings, wird derzeit laut geblasen und gestrichen. marsch-
musik. das scheint gut anzukommen, allgemein, im all-
tagsleben, in der politik – mir ist dabei nach lachen
nicht zumute
vielleicht, weil diese gradlinigkeit an irgendwas erin-
nert, diese im dirndl daherkommende naivität, dieser
glaube an das gute, das wie manna von oben runter-
knallt, dieser respekt vor gestärkten kragen, bügelfal-
ten – sssst-schnurgerade! -, vor blinkenden uniform-
knöpfen unter grauen schädeln, dieses schrankenlose
staunen über die inhaltsleere überzeugungskunst poli-
tischer verwaltung, ohne widerstand, und – und! – das
schweigende zurseitegehn, wenn polizei in panzern
durch die strassen rollt: wegtreten ist keine deutsche
tugend, sondern pflicht
es ist ganz einfach, wenn alle das gleiche glauben: de-
mokratie ist, wenn wenige vorsagen, was alle anderen
denken. müssen. soviele gnadenschüsse kannste gar
nicht geben, um noch von gnade zu sprechen
nein. ich bin nicht ernst, zu ernst; ich habe längst ge-
lacht, wenn anderen noch nicht einmal zum grausen
ist