es war ein prozess, der ungewöhnlich endete: mit einem
freispruch. in seiner mündlichen urteilsbegründung würdig-
te amtsrichter wolf mein verhalten als „lobenswert“, meine
motive als „nachvollziehbar“ und „glaubwürdig“ – hingegen
die aussagen der gegen mich als zeugen aufgetretenen po-
lizisten als „widersprüchlich“ und „zweifelhaft“. gleichwohl
bewertete er den einsatz der polizisten als gerechtfertigt
und meine befürchtung eines gewalttätigen übergriffs (der
im prozess allerdings unüberhörbar bestätigt wurde) als
fehleinschätzung. er folgt meiner darstellung, eine verleum-
dung der polizisten habe nicht stattgefunden: „die aus-
sage, dass ‚die polizei schnell mal zuschlage‘ ist nicht zur
verleumdung einzelner personen geeignet, weil sie einen
viel zu grossen kreis umschreibt“
„in dubio pro reo“ begründete der richter abschliessend
seine entscheidung – und machte damit sein urteil gegen-
über der staatsanwaltschaft nahezu unanfechtbar
am ende hatten wir alles auf eine karte gesetzt. die zwei
polizisten hatten in der zeugenvernehmung ein jämmer-
liches bild abgegeben, der vorwurf der verleumdung („die
heidelberger polizei ist bekannt dafür, dass sie gern zu-
schlägt“) schien also vom tisch, aber es war unklar, wie
der richter meine äusserung „mir ist bekannt, dass die
polizei in solchen situationen gern mal zuschlägt“ bewer-
ten würde; es blieb nur der weg nach vorn
das filmreife plädoyer meines verteidigers° rief noch einmal
die widersprüche in den aussagen der polizeizeugen in er-
innerung, beschrieb, wie eine bedrängungsituation erst
durch das erscheinen der polizeikräfte entstanden war und
wie sie eskalierte, schlug den bogen zur alltäglichkeit ge-
walttätiger polizeilicher übergriffe – insbesondere gegen
mitglieder sogenannter gesellschaftlicher randgruppen –
und leitete daraus eine rechtfertigung für mein handeln ab
in meiner abschliessenden stellungnahme stellte ich die
normalität alltäglicher polizeiübergriffe gegen die notwen-
digkeit, hinzuschauen, einzugreifen, alltagsgewalt zu ver-
hindern – auch, um konsequenzen aus der deutschen ge-
schichte zu ziehen. ich beschrieb die notwendigkeit der
kontrolle staatlichen handelns, setzte soziales engagement
und zivilcourage gegen die versuche der einschüchterung
und beharrte darauf, in vergleichbaren situationen erneut
einzugreifen, um meinen lebensidealen eines gewaltlosen
miteinanders zu folgen: „ich lasse mich für das ideal von
gewaltlosigkeit nicht verurteilen“
° martin heiming (heidelberg)