Archive for Juni, 2006

[ deutschland heute: nazis atmen auf ]

Samstag, Juni 10th, 2006

al sarkavi ermordet, hingerichtet, peter handke verzichtet, franz
xaver kroetz legt die feder zur seite, auf seite eins, im feuilleton °

ein kurzhaariger lehnt an einer hauswand, gegenüber meinem
schreibcafé, ein bunter lappen hängt aus seinem rucksack raus

bei einer solchen nachricht werden die ewigen deutschen auf-
atmen: braunrotgelb ist wieder in. unübersehbar. auf allen ka-
nälen können sie aufmarschieren. unwidersprochen

° – (frankfurter rundschau, 09. juni 2006, nr. 132)


[ umzugsfragen ]

Freitag, Juni 9th, 2006


 

ich trage meine herzen in einem koffer
voll stroh von hier nach hier. darf ich
ihn stehenlassen, für einen augenblick
madame? monsieur? ein momentchen
nur? das wäre nett
 

foto: 06. märz 2006


[ an z. ]

Donnerstag, Juni 8th, 2006

bist du sicher, dass die aufgaben nicht zu gross sind, die
du mir zuweist? ich lege deine fragmente neben meine. sie
bleiben schweigend liegen. kein klares bild. kein wind, der
muster aufwirft, der das mosaik neu formt. fragmente
worte liegen sätze neben fragen zeichen zettel ohne seiten
richtung durchgestrichen (gilt es oder gilt es nicht?)

bist du dir wirklich sicher, dass die aufgaben nicht zu gross
sind, die du mir gibst? ich bin ein blöder schreiber, kein
zauberer, verzeih, ein zauderer vielmehr; gar, wenn’s um
das leben andrer geht, bin ich behutsamer (und hoffe
sehnlichst, dass mich niemand lügner ruft)


[ leben wagen ]

Mittwoch, Juni 7th, 2006


 

der regen brach in dünnen fäden durchs dach. dagegen
helfen schüsseln und schalen. der tee war heiss. im ofen
kein feuer: am ende des winters ist das holz knapp. und
in decken gehüllt schlucke ich meine sehnsuchtsknoten
herunter wie klumpen trockener erde. ach ja. damals. am
ufer die sterbende eiche, rauch in ihren zweigen. vor dem
fenster ein see. ein engel im schnee. schnee. schnee

fahren wir fort, wirst du fragen. natürlich wird es bei der
frage bleiben. weisst du, ich kann nicht. ich bin nicht hier
 

foto: freiburg, 27. april 2006


[ an j. ]

Dienstag, Juni 6th, 2006

es tut gut, von dir zu lesen. deine worte geben mir
augen, füllen leere auf, die sich ausbreitet mit
klebrigem schwarz zwischen meinen kopfzeilen

(auch wenn ihr das noch nicht bemerktet, weil ich
schauspieler bin, ein lügner, täuscher bin, ein
peryton: ihr seht den schatten und erfindet mär-
chen, zeichen, kreuze gegen eure namenlose angst)

du lernst das fliegen, ich lerne das schweigen


[ und heute fröhlich ]

Montag, Juni 5th, 2006

ach, lass mich einfach zufrieden, sagt sie ton-
los, wie nebenbei gesprochen, nur, weil ich
zwei-, dreimal wiedersprochen habe (das sind
die schwalben, nicht die fledermäuse). scheiss
foltermaschine! ihr ruf klingt fast fröhlich, be-
vor sie mit nachdruck die tür zu ihrem zimmer
schliesst


[ am weiten sand ]

Sonntag, Juni 4th, 2006

die insel war dein traum, nie meiner. auch wenn ich dir
dorthin gefolgt bin, weil ich wissen wollte, wie sich der
echte sand anfühlt, von dem du mir erzähltest, seit den
ersten ausgeschwiegenen momenten, also wenn worte
sich versäumen, wenn das schweigen eintracht bringt
und eine nähe, die den blick gefährlich ändert; entgeg-
nen wirst du mir, ich sei vorausgegangen – und du hast
recht, ich will nicht streiten, hinterher, wo aller grund
zum streiten zur vergangenheit geworden ist: gescho-
ben hast du mich. oder – im gefühl der zeit gesprochen –
wir sind den irrsten träumen nachgelaufen, nachge-
sprungen, haben uns verlaufen, wie die kinder, in den
hingeträumten wäldern, zwischen dünen haben wir die
spur verloren. oder war es zwischen feuchten wänden
im dachgeschoss, windreiche strasse einer stadt?


[ schmeiss wech! ]

Samstag, Juni 3rd, 2006

ein weiterer kurzbeitrag zum thema ‚universelles leben‘:

1. informieren
2. runterladen
3. handeln


[ mein herz ]

Freitag, Juni 2nd, 2006

heute verspätet. und sehr in eile; ich bin eigentlich gar nicht
hier. ich packe aus und um und ein und fahre gleich weiter

aber damit ihr durchatmen könnt – an meiner statt – tief und
träumend, bevor ihr weiterkämpft, natürlich, denn so strutz
und stramm kann das alles doch nicht bleiben, mit deutsch-
tümelei und fussballpatriotismus bis zum erbrechen und neu
erstarktem militarismus und hitlerjunge ratzinger in polen …
bwoah

„mein herz“ (premaster)
(ogg; 2,6mb)


[ sagt der wind ]

Donnerstag, Juni 1st, 2006

fröhlich bin ich, freunde und ich bin es nicht
versteht ihr? versteht ihr?

plötzlich war der abend über uns gekommen
das feuer war herabgebrannt bis auf die glut
ich habe dich beim wort genommen und entführt
so war ein tag zuende

es ist nicht so, dass wir uns wiederträfen, später
wir müssen uns verlieren, irgendwann
und nach der logik unsres daseins ist das gut
es stirbt mit uns die zeit

nimm dir einen tag
nimm dir einen tag zurück ins leben

plötzlich stand der abend über uns
das feuer war ausgebrannt bis zur kalten asche
ich legte deine hand in meine … ewigkeiten
eine amsel sang für dich. so war der tag am ende

und irgendwo, irgendwo
ist eine kerze ausgeblasen

sagt der wind