Archive for April, 2006

[ abgetaucht ]

Sonntag, April 9th, 2006

ein tag zum verschwinden. den grüssen ausweichen, die
hinterher geworfen werden. eigentlich wisst ihr doch: ich
mag das nicht. punkt


[ cafészene ]

Samstag, April 8th, 2006


 

ein wort vom nebentisch stösst die seiten an
und blättert weiter. seine hand zittert. in
meinen ohren rauscht der hafen. ich erzähle dir
stumm meine sehnsucht. lachen fällt herüber;
ich kann meinen blick nicht aufheben, von
innen nach aussen. seine hand zittert. eine
seite schlägt

um
 

foto: cafészene
marseille, 15. dezember 2005


[ klein und dunkel ]

Freitag, April 7th, 2006

bevor der nächste schauer mich trifft, lehne ich das fahr-
rad gegen ein schaufenster, an dem ein schildchen mahnt
‚fahrräder nicht gegen das schaufenster lehnen‘, vis à vis
der eingangstür. beim öffnen schwappt ein wenig jazz auf
die strasse hinaus. gedämpftes licht. rauch, viel rauch. ein
kleines dunkles, tschechisch? der platz am tresen ist mir
nicht gewohnt. am anderen ende füllt eine frau vielver-
sprechend ihr gesicht mit weitem lächeln, während ihr
blick sich wieder in einem buch verankert: gut sieht das
aus. oder sie betrachtet das ende des zigarettenfilters
zwischen drei fingern ihrer rechten hand. aber was kann
sie dort finden, frage ich mich. vielleicht, ja vielleicht auch
darum finde ich keine ruhe; im kopf treiben meine tages-
geschäfte fort. ich stelle mich dem regen mit hochgezo-
genen schultern, fluchend


[ faites vos jeux! ]

Donnerstag, April 6th, 2006

mich haben bislang vier einigermassen akzeptable lösungen
des peryton-rätsels erreicht. das heisst entweder, der preis
ist nicht attraktiv genug (also der aufwand, die lösung zu fin-
den, im verhältnis zum ertrag zu gross) oder es war doch zu
schwer. aber letzteres kann ich nicht wirklich glauben …

der rapper ‚mc albino‘ wird sich am 10. april 06 als ‚glücksfee‘
verkleiden und mit den unschuldigen händen des henkers den
einen namen ziehen … allerdings weiss der ‚mc‘ bislang noch
nichts von seiner schicksalshaften bestimmung

nun also. eure letzte chance: mesdames, messieurs, faites vos jeux!


[ canale grande ]

Mittwoch, April 5th, 2006


 

unter den steinbögen kauern schattig schwarze
träume, die fäule gärt, frisst mauerfugen aus, quillt
stinkend in den grachten auf, dass die touristen
frische luft sich fächeln und der gondoliere unbe-
kümmert seine fürze über ein jauchzendes publi-
kum bläst, in die kameras lächelnd: das macht
zehntausend lire extra. diese stadt sinkt mir unter
den füssen wie meine hoffnung, irgendwo zu blei-
ben. keine brücke steht zwischen all den häusern
 

foto: canale grande
peryton-archiv. venedig, 1988


[ dokumentation: staat zum kotzen ]

Dienstag, April 4th, 2006

wie ich erfahren habe, findet am 26. april 2006, 9:40
uhr im amtsgericht garmisch
unter dem vorsitz von
scharfrichter klarmann ein verfahren wegen sogenannter
„verunglimpfung des staates und seiner symbole“
statt. mein tip: hingehen!

nicht-wörtliches zitat aus dem strafbefehl an theresa b.:

„Am 14.05. 2005 gegen 22:16 hielten Sie sich auf dem
Bahnhofsvorplatz in Mittenwald auf. Zu diesem Zeitpunkt
fand dort ein Konzert statt. Auf Grund von Beschwerden
mehrerer Anwohner wegen überlauter Musik sollte die
Musik durch anwesende Polizeibeamte zu diesem Zeit-
punkt beendet werden. Daraufhin skandierten Sie laut
und für alle Umstehende hörbar „BRD, Bullenstaat, wir
haben Dich zum Kotzen satt“

Auf diese Weise wollten Sie die Bundesrepublik Deutsch-
land beschimpfen und Ihre Missachtung dieser gegenüber
zum Ausdruck bringen

Sie werden daher beschuldigt, öffentlich die BRD beschimpft
und böswillig verächtlich gemacht zu haben, strafbar als
Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole gemäß
§90 a Abs. 1 Nr 1 StGB

Gegen Sie wird eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen
verhängt. Der Tagessatz wird auf 20 Euro festgesetzt. Die
Geldstrafe beträgt somit 800 Euro“
 

peryton meint dazu: es lohnt der mühe nicht, sich über
staatswichser zu erregen. lohnend wird hingegen sein, das
verfahren und die sich daran anschliessenden zu verfolgen:
braune geier legen braune eier

weitere infos zur mittenwald-kampagne bei nadir.org


[ nach dem regen ]

Montag, April 3rd, 2006

sonntagabend. kirchenglocken. leute streben
von allen seiten ihren gotteshäusern zu. die
späte sonne hat alle dächer angezündet, nur
so zum schein. schade, denke ich, halleluja
wie schade


[ der apfel fault nicht weit vom stamm. oder: der erste april, der innenminister und die ungelösten fragen ]

Sonntag, April 2nd, 2006

der scharfe geruch, dessen ursache ich ergründe, kommt
aus der küche, gleichsam unangenehm wie die musik ei-
nes kultursenders: meine kaffeetasse steht vergessen auf
dem heissen ofen, an ihrem grund ein verkohlter rest ge-
zuckerter sojamilch. ja, es gibt morgende, die beginnen
genau so: april, april

ich war aus der küche geflohen, als im radio der innen-
minister zitiert wurde, der schäuble, der mit dem schuss
durch den rücken, der deshalb nicht mehr bundeskanzler
werden konnte, obwohl das eines seiner ziele war, da-
mals, vor dem attentat, aber in deutschland kriegt kein
krüppel einen solchen job, eigentlich, erst heute, wo so-
gar eine frau … also heute ist er propagandaminister, der
wolferl

was er damals im heimlichen betrieb oder besser, re-
lativ unbeobachtet, weil auch kein linker genauer hin-
schauen wollte, was er da trieb, denn was hätten sie
tun wollen, was tun können, was dagegen sagen, die
selber angstvoll gen süden starrenden, die reichen er-
ben, die hofften, dass irgendeiner – ein anderer – eine
lösung finden würde gegen die andrängenden schwar-
zen massen, gegen das problem der kulturellen über-
fremdung, die gefahr, das bequeme teilen zu müssen

… da schnitzte der schäuble also in heimlicher eintracht
mit allen an den aussengrenzen der europäischen frei-
heit am sogenannten ’schengener abkommen‘ und heute
kann er in aller öffentlichkeit seinen wahn ausleben, weil
sein wahn offener konsens geworden ist, ja, da darf so-
gar ein solcher krüppel reden, eine arme sau in den au-
gen der meisten, ein hochgucker, aber auch ein held, wenn
wir es genau betrachten wollen, in erfüllung seiner patrio-
tischen pflicht abgeschossen, ins kreuz geballert, und al-
so darf er heute reden, in seiner neuen funktion als innen-
minister, reden, wie wir es gewohnt sind von allen innen-
ministern der vergangenen jahrzehnte: offene worte, ge-
radeheraus, ohne anstandstüchlein vorm schneidigen
mund, mit hackenzusammenknallen und den braunrot-
gelben lappen aufziehend, jedesmal, gegen linksmoti-
vierte gewalttäter bei demonstrationen, gegen arabische
terroristen und also jetzt gegen angeblich gewalttätige
schülerInnen
: gewalttätige jugendliche spiegelten nur
eine gesellschaft wider, die es zunehmend versäume, kla-
re grenzen zu ziehen und die wichtige normen nicht ent-
schieden vorlebe und durchsetze – oder so ähnlich

um die fakten präzise zu umreissen, hätte er für meinen
geschmack nicht so viele worte benötigt: eine gewalttätige
jugend spiegelt die gesellschaft wieder, in der sie aufge-
wachsen ist. oder noch kürzer: der apfel fällt nicht weit
vom faulen stamm

aber zum glück sind die lösungen so einfach wie werte-
konform: polizisten gegen kinder einzusetzen ist in
deutschland ebenso legitim wie eine ausgangssperre
gegen kinder in frankreich. und die schuldfrage ist damit
ebenso geklärt wie die frage nach den lösungen: eine
gewalttätige jugend spiegelt eine gesellschaft wieder, in
der die grenzen der gewalt nicht recht gezogen wurden

was ich nun noch nicht recht verstanden habe – neben ihrer
position zu unter folter erpressten geständnissen, oder
was sie mit ‚die eine oder andere anpassung des rechts-
staats‘
meinen, oder mit einem satz wie ‚die rechts-
staatlichen grundsätze schliessen ja nicht aus, dass man
bestimmte freiheitsrechte einschränken kann‘
… ehrlich
gesagt überfällt mich da ein gruseln, das in die geschichte
weist – was ich also noch nicht recht verstanden habe, herr
goebbels: welche normen meinten sie eigentlich?


[ across the line ]

Samstag, April 1st, 2006


 

dünenwegen folgend sinkt der fuss tief, gräser
liegen da, längs, vom wind bewegt, bevor die
böe eine stille bricht, atem nimmt, schneidend
im sommerlicht, ein letzter abstieg und dann
ist eine wüste erreicht, salzharter grund, grau
endlos, da hinten liegt das meer sagst du, un-
sichtbar, das ufer ist geflohen unserm blick. der
wind schmeckt nach traurigen wassern
 

_
 

und wir werden einen klebrigen talg zwischen
fingern reiben, einsam, weil der wind die worte
einsam macht, werden hinauslaufen, weit, un-
sicher, wann der rand erreicht ist, wann sind
die grenzen überschritten, wann ist der weg zu-
rück vergessen, wir werden umkehren, aneinan-
der geklammert, die herzen verschwiegen. wie
auf einem foto steht dein schemen in meiner
erinnerung
 

_
 

(across)
wie muss es gewesen
(the border)
sein im winter?
(line)
 

foto: peryton-archiv. amrum, 1984