– guten morgen! sozialer wohnungsbau macht flexibel –
ab heute ist wieder die zeit verdreht. die wahlbeteiligung
ist niedrig, sagt das dunkelhaarige frollein im radio, ich
gähne. das liegt nicht nur daran, dass die wahllokale nur
über müllbarrieren zu erreichen sind. hier ist doch alles in
ordnung, meinte ein freund letzthin, bei uns in frankreich
wären die haufen längst angezündet, scheissegal, ob das
haus daneben gleich mit abfackelt: bof! und er lachte
dass die erfinder der demokratie wahlen verordneten, um
revolutionsgewitter im reagenzglas zu halten, ist eine alte
erkenntnis, über die zu philosophieren nicht lohnt. nicht heu-
te. aber dass nahezu keine reaktion auf meine ekelhafte
geschichte einer vergewaltigung kommt, kein wort des
widerspruchs, keinerlei kritische nachfrage … das fasse ich
nicht. wollt ihr’s ausführlicher, blutiger, lauter, damit es
direkt ins auge fällt, tiefer schneidet, besser schmerzt? wollt
ihr’s mit vater und tochter, mutter und sohn, bruder und
schwester? ich fasse es nicht. die gegenwart von brutalität
scheint so gewohnt, wie die abwesenheit von freiheit in
eurer demokratie. und ebenso gewohnt wie das schweigen
darüber. ruhe ist die erste bürgerpflicht
ich färbe mir die haare rot, proste dem spiegelbild mit einer
tasse kaffee zu, fluche ’sommerzeit‘ aus dem fenster. unge-
rührt wäscht der frühlingstag meine spucke durch den rinn-
stein fort
foto: darmstadt, 18. februar 2006