Archive for September, 2005

[ tout à coup ]

Freitag, September 30th, 2005


 

es greift mir in die brust, hält einen
herzschlag lang, zwei, drei, meinen
atem, macht alles aus (die stille nach
dem türenschlagen), lässt mich allein

zurück. aus meinem album klafft mir
eine lücke. kein wort. dein brief ohne
anschrift. dein haar duftet nach dem
wind der berge. dein rücken, mein la-
gerfeuer im schnee. gestern. das war

gestern. es ist kalt geworden. ohne
deine sehnsucht bin ich nie gewesen
 

foto: le vigan, 31. august 2005


[ perypunk. und dann ein bier ]

Donnerstag, September 29th, 2005

„ich glaube, ich habe mich in lied 8 deines mai’schen
mixes verliebt und wundgehört. jetzt bier. wo? klar: d’s
wg. liebste grüsse“ [ sms – 29.09.05 – 22:21 ]
 

„welches denn? ‚lied 8‘ sagt mir doch nix …
dir ein fröhliches bier und allen liebe grüsse“
[ sms – 29.09.05 – 22:23 ]
 

das mit ‚der herbstwind kratzt mit fingern an der scheibe‘
und grandios: ‚es ist kalt, es regnet in berlin‘. danke, das
nämliche“ [ sms – 29.09.05 – 22:26 ]
 

„ach ja. aber du kennst die neue version noch nicht …“
[ sms – 29.09.05 – 22:30 ]


[ space]

Dienstag, September 27th, 2005

wieder keine antwort von dir, sagt etwas beim
erwachen. und wenn ich dir erzähle, dass?

wenn du meine augen, wenn du mein herz …
ach, wenn du nur

ein café, in dem ich mich fühle wie damals, dort
am fenster, dir gegenüber. weit fort. so lange
ist das her. du bist nicht hier. ich rauche nicht
mehr. und in vielem würdest du mich nicht
mehr erkennen; doch: du schon

wenn der kloss im hals zu dick wird, fahre ich
weiter. jedesmal. jedesmal den tränen entflie-
hen. jedesmal vergebens davon

dir entgegen


[ restore (d) ]

Montag, September 26th, 2005

diesen hund fand ich sogar nett. fragende, fast läch-
elnde augen, schwarze nase, schwarze ohren, der
rest in gabbrofarben weiss-schwarz, einem freundlich-
en morgenmantel für abgelegte plüschgefährten: du
schaust mit den augen des kindes, fühlst sehnend ei-
ner wärme nach, die nie wirklich war

seine begleiterin hatte fröhlich leuchtende haare, eben-
solche augen. wir unterhielten uns, nachdem sie mei-
nen anruf bei der betreiberin des waschsalons mitge-
hört hatte, weil der münzautomat mir das rückgeld
verweigerte: ‚wann also?‘

‚unter der asche‘, dank meiner schussligkeit vor drei
tagen komplett vom studiorechner gelöscht, konnte
gerettet werden. zwei arbeitstage und einen sack voll
motivation hat dieses unerfreuliche intermezzo ‚ge-
kostet‘ – die entscheidung gebracht, dass es so nicht
weitergehen kann … sobald ich mein grämliches
seelentier davon überzeugen kann, dass die arbeit im
studio ihm auch heute wieder freude bereitet, breche
ich auf zur weiterarbeit an den aufnahmespuren von
saxophon, e-gitarre, bass

denn ein grosser teil davon, was mir als ‚autentizität‘
bescheinigt wurde, bedarf der umso filigraneren be-
rührung, das schnitzen und schmirgeln am eigenen
klang unhörbar sein zu lassen: die tarnkappe ist gut
geklöppelt, die dich ins unbemerkte kleidet, selbst
nicht sichtbar bleibt

die meisten hunde sind distanzlos, den meisten men-
schen ähnlich, mir darum nicht sympathisch. doch die-
sen
hund … unnötig, eigentlich, mich zu wiederholen

unsere wenigen worte überzeugten mich, dass heute
kein tag zum sprechen ist. eine dringende verabre-
dung verschob ich auf das ende dieser woche, erken-
nend, dass meine gegenwärtige zeitplanung über die
jordane dieser welt davongetrieben ist. alle schuld sei
auf den herbst geschoben, der endlich mit nächtlich-
em regen die schneestürme in meinem herzen recht-
fertigt … vielleicht begann schon da ein neues leben

oder morgen?


[ zwei ]

Sonntag, September 25th, 2005


 

wenn zwei sich wiedersehn
nach langem
bleiben wollen
die hände ineinander legen
bleiben

ist das die grösste aller
art von freiheit?

wenn zwei sich wiedersehn
nach langem
bleiben wollen
die hände ineinander legen
ohne zu bleiben

ist das die grösste aller
art von freiheit?
 

foto: le vigan, 31. august 2005


[ zeitgemäss ]

Samstag, September 24th, 2005

„die Deutschen“ hätten, bellt der oberbefreite bernd
ulrich°, frontberichterstatter im sprachbatallion der ‚zeit‘
gegen den lärm der panzerketten, dieweil sein schlagtitel
den deutschen acker pflügt, „bisher (…) stets klug gewählt“

soviel vergessen möchte ich mal können

nein, doch nicht: schlaflos zu bleiben gelobe ich
 

°bernd ulrich: ‚einfacher als es scheint‘
leitartikel, ‚die zeit‘, 22. september 2005


[ undelete (d) ]

Freitag, September 23rd, 2005


 

schiffssirenen gröhlen dumpf vom hafen, im
unverschämten sommerblau dahergeschwommen; ich
glaube solchen karneval nicht. lächerlich

dies nennt sich herbst. kalt muss es sein und
grau

von abschied träumte ich, vom bleiben; mein
morgen zeigte, dass die nacht nie lügt. ohne
trauer nehm ich hin, was ist

mir blühen schwarze rosen, ohne zu vergehn
 

foto: mémoires. le vigan, 31. august 2005


[ l’haïr du temps. blick zurück ]

Donnerstag, September 22nd, 2005

– l’haïr du temps –
 

„hey (…), du ferne, so ist das immer mit mir: seit tagen
sollte ich eine wichtigte email abschicken und jetzt, da
ich endlich dran denke das zu tun, hab ich die adresse
nicht dabei … ein schussel aus prinzip, vermutlich

es wird zeit, diese stadt zu verlassen; heute die letzten
photos, die meinem ‚programm‘ gemaess noch zu erle-
digen sind, dann morgen wohl weiter. ich brauche wie-
der ruhe um mich, keine leute, die beim aufwachen und
beim zubettgehen permanent um mich sind: horror fuer
den eremiten

inzwischen traeume ich dialoge in schlechtem franzoe-
sisch, das ist hochinteressant

eigentlich waren noch anmerkungen zur (…) -sache in
meinem kopf; aber da die webseite eh ‚haengt‘
– [ antwort von (…): der peryton-server ist ernsthaft
erkrankt, sie tun, was sie koennen, und das wohl schon
seit tagen. pausenlos, schlaflos, wie er sagt ] – … und
die viele sonne … werde also vom ‚hippieviertel‘ aus
bergab ins arabische viertel eintauchen; eine seiten-
strasse wuerde ich gern fotographieren, was gestern
abend nicht mehr ging; es war schon zu dunkel und
ich wurde zudem von allen seiten angestarrt (soll heis-
sen: noch mehr als sonst). es gibt augenblicke, die
sind fuer barfussgaenger in dieser stadt … heikel. dies
war einer

vorhin mein (erfolgreiches) unternehmen bei der ‚ban-
que de la france‘ francs in euro zu tauschen: ein rech-
ter krimi. durch mehrere kontrollen und glasschleusen
ins innere des bankgebaeudes gelotst, durch eine lee-
re schalterhalle, ausfuellen eines formulars mit angabe
der personalien und dem grund meines besuchs, weiter
zum schalter und endlich auf gleichem weg retour, in
jedem moment begleitet von abschaetzigen blicken
… barfuessige tragen in dieser stadt den geruch des ob-
dachlosen, des bettlers, des aermsten der armen, des
potentiellen diebs – kein mensch geht hier freiwillig ’so‘
… plastikbadelatschen sind gaengige fussmode und
koennen durchaus entscheidend sein, ob du ein laden-
geschaeft betreten darfst, um etwas zu kaufen oder nicht

liebe gruesse an dich aus marseille“
 

foto: grand rue / rue bonneterie
marseille, 25. august 2005


[ es brauch nicht mehr als eine tüte ]

Mittwoch, September 21st, 2005

mag sein, dass vielen ihre zeit zu knapp geworden, dass
der gehetzte überblick nicht mehr fürs ende reicht. mich
nervt es. wer freundlich ist zu mir, verschont mein ohr

dem allgemeinen geben nach hat er gelassen ohne
schmerz zu leiden; es brauch der mensch das t nicht
mehr, wiewohl den schlussakkord, die schliessende er-
kenntnis nicht: das zungenschloss fällt nicht mehr ab
vom gaumen hörbar in die falle

doch passt es, irgendwie, zur zeit. die medien tragen
uniform den stirnverband, den kratzebuckelblick, die
poloch-schmeichelstimme – sie haben schlicht verges-
sen zu berichten. ein bundeskanzler oder zwei vergisst
die wirklichkeit, die einst weit ausserhalb der wahnvor-
stellung liegen mochte, der rest vergisst aus alter tra-
dition, der stellt sich für nicht mehr auf, denn in schlang-
en an für superdiesel und den plastebeutel glück. mehr
brauch er nich

was solls: die tütensuppe schmeck auch ohne zähne. es
is ja nich mehr drin, mim spargeld vom hardsvier. reich
aber auch: fernseh am amd, schön auffe couch und bier
bei die cola. alles aldi

und damit, bitteschön, den blick zurück, den blick voran
in michels demokrate wirklichkeit: pisa und die koalitionen
des irrsinns. gucks du?
 


12:47 uhr. herbstanfang, 21. september 2005

[ warum – darum ]

Dienstag, September 20th, 2005


„Aber warum nur willst du das…? Die meisten Menschen
leben besser ohne Phantome und ich weiss, dass ich ein
besonders schlimmes bin“

 

ich bin ein einfältiger, ein fürchterlich konservativer
mensch. ich fühle zuviel. ich wünsche mir harmonie
aller mit allen. weil ‚das da draussen‘, diese brutale
verkehrsampelwirklichkeit, diese banale kriegswirklich-
keit aber so anders aussieht als das, was nach meinen
erkenntnissen erstrebens- und lebenswert ist, kämpfe
ich in jedem augenblick. so gesehen bin ich ein herz-
getriebener extremist bei klarstem verstand, der aus-
gezogen ist, die welt zu verändern mit den stumpfesten
waffen: mit liebe, respekt und vertrauen. und irgendwie
gehörst du dazu, zu meinem kampf, trotz aller brüche
und schwierigkeiten. darum also


[ im focus II ]

Montag, September 19th, 2005


 

nachgetragen: ein gruss. und eine erinnerung an
die besonderen tage dieses vergehenden sommers
 

foto: heidelberg, 03. juli 2005


[ dein ort ]

Sonntag, September 18th, 2005


 

ein paradies für eidechsen, dachte ich, einer
gewahr werdend

gehauen aus jenem grünen kopfstein, an
dem eine meeresmuschel ruht, spricht sie zu
mir über die unendlichkeit des schlafes ohne
atem, von meiner schale bedacht, bis zum
nächsten regen, bis zum nächsten sturm, bis
heran an die ordnende hand, immerfort
nehmend

über die jahre hin ist dies zu deinem ort ge-
worden, eingewachsen zwischen astern, brau-
nelle, dem stinkenden storchschnabel. dorr
ausgeblühter sommer

ein paradies für steine, echsen, jene, die
träumen
 

foto: 10. august 2005


[ zeitlupe ]

Samstag, September 17th, 2005


 

mein abschied: herzlich
 

dazwischen lagen unbemerkt wieviele jahre?

die finger reichen mir nicht, sie zu zählen; ich staune
über das erwachsenwerden, das als-ob-es-gestern-
erst-gewesen-wäre, dass wir uns immer noch be-
nehmen wie geschwister, herzliche aber, nahe, mit
der gleichen liebe, fast, der gleichen sorge, fast, für
die, die auch gewachsen sind, inzwischen, ohne uns

zeitweilen
 

wie mein willkommen. auch
 

foto: am fenster. revensdorf, 1990


[ mein elfter september ]

Sonntag, September 11th, 2005

aus einem guten himmel trommeln kalte feuer

er bricht, knickt lautlos ein, der doppelläufige
phallus nordamerikas, in der erinnerung. jetzt

strömt der regen schwarz und nass herab

la mancha heissen die hügel um leipzig. weil
mir der wind entgegen schlug, ein herbstlaub
trieb, eilte

eilte ich auf meinem ross vorüber; vorbei die zeit
gegen dich zu kämpfen. lass drehen, alterchen

du bist, du bleibst alleine

auf neuen fahrten finden sich die fährten wie in
den träumen wieder; nur fort von hier. die rück-
kehr – meine – ist gewiss

gewiss, ja: it’s a hard rain falling


[ ode an die katze ]

Freitag, September 9th, 2005

– le chat perdu –
 

ein kleiner dank an dich
 

(manchmal fühle ich mich verloren ohne
begleitung durch dein phantomhaftes wesen)
 

foto: marseille, 24. august 2005


[ kritik: „gestern war es“ ]

Donnerstag, September 8th, 2005


 

„(…) ist „Gestern war es“ sicher eine der ungewöhnlichsten Chansonplatten, die ich in den letzten Jahren in den CD-Spieler geschoben habe. Das ist auf jeden Fall eines: nämlich authentisch, und das ist schon nicht wenig in unserer heutigen Phrasenzeit (…)“


 

mehr bei www.chanson.de


[ manchmal träumen sie ]

Donnerstag, September 8th, 2005

der geruch teuren weins vom tisch nebenan, her-
übergeweht, mitgekaut, die romantik blind-
geschauter spiegel, die topographie eines
hungerackers in angestossenem porzellan, viel-
gestaltenen bestecks, stumpfgekerbt im erinnern
an brot, zusammengestohlen in kellercafés
fragwürdiger gassen, restaurants dreckigster
kategorie ohne namen und weggeschlürft aus
verwitterten tümpeln groben tons

der aufgesparte leib für das einzige, einmalige, die
wärme durchsommerter nächte auch, unter wind-
durchhauchtem faden in gärten, unter büschen in
parks, unter einem himmel ohne stern, am schweiss
der andern, den fremden speichel atmend, flüsternd
in den liebessprachen karger worte, der geräu-
sche, pfiffe, des schnaubens, ein schnalzen

wie eben nach dem genuss dieses edelsten wei-
nes, wenn die zunge nachsinnt, taub vom gaumen
fällt: einmal nur weniger von allem, sehnen nach
dem nackten leben
 


 

manchmal träumt die bourgeoisie
vom geschmack der armut


[ vollmondnacht ]

Mittwoch, September 7th, 2005


 

den mond geträumt, ein haus, in
dieser vollmondnacht. leer ist der
schönste ort ohne

sinn; dass ich beschloss, dort
nicht zu sein. allein zu bleiben
unter meiner haut

der see verwaist, die wellen
schlagen falten in das licht, ver-
schlossen bleiben augen, hände
leer, darüber schweigt

ich träumte eine
vollmondnacht
 

foto: friedrichshafen, august 2005


[ comme à marseille ]

Dienstag, September 6th, 2005

die linie ihrer ohren, das ist deine und wie
ihr haar darüber fällt, eine spur dunkler nur

ich hätte schwören können, du bist das gewesen, dort
am nachbartischchen, vis-à-vis de moi
mein herz, das hätte schwören können, weiss es doch genau
gespürt, geklopft, gehört; ich weiss es besser

man kann ein lächeln nicht erwidern, wenn erinnerung
dir lacht
wenn die zeit dich anpackt – so! – an einem hellen tag
– und wenn sie weitergeht

hinter ihr, der schönen, über diese gasse hoch
führt eine treppe steil bergauf ins viertel ‚le panier‘
aufwärts stieg sie über sie, stieg meinen augen glatt davon
entglitt wie gestern erst du mir, meiner erinnerung

meine liebe glitt davon, unaufhaltsam
und wie ihr haar darüber fällt .. fortverstiegen …

ich hätte schwören können, du bist das gewesen, dort
vis-à-vis de moi, vis-à-vis, déjà
mein herz, das hätte schwören mögen, weiss es doch genau
gespürt, geklopft, geträumt; ich selber weiss es besser

man kann nicht abwehrn, abstand halten, wenn die
bitte kommt mit solchen augen
wenn die zeit dich anpackt an einem hellen tag
wenn deine zeit – auf und davon! – einfach weitergeht

der mann kam aus dem haus gerannt, die gasse runter
aus seiner fresse floss das blut in strömen und ich glotze
entwich um die blumen auf dem asphalt herum, hoch zum
‚place de moulin‘ – ein deutscher tourist mit billigem herzen

on ne comprend pas, on ne voit jamais, on n’écoute rien

ich hätte schwören können, du bist das gewesen, dort
vis-à-vis de nous, vis-à-vis, toujours
mein herz, das hätte lügen wollen, weiss es doch genau
gespürt, geschnürt, gelitten; ich weiss es besser

man kann nicht rausgehn wenn der eigne film im
augenkino läuft
wenn die zeit dich anpackt – so! – an einem hellen tag
wenn sie weitergeht, einfach weitergeht

… comme à marseille

ich hätte schwören können, du bist das gewesen, dort
vis-à-vis de moi, vis-à-vis, tu as jeté un oeil
mein herz, das will belügen

ich weiss es besser
 

nachtrag:
„comme à marseille“
(premaster, juli 2006)
(ogg; 5,0mb) (mp3; 8,7mb)


[ privas ]

Sonntag, September 4th, 2005

der tisch steht zwischen eingangstüren, mein stuhl
drinnen, konservenmusik klappert von rechts, von
links die strasse. junge leute auf barhockern in der
sonne schubsen sich, lachen herüber. ich sehe die be-
wegungen ihrer lippen, verstehe nichts, lache zurück

ein letzter café (plus fort!) am rand der ardèche, dann
runterfallen ins tal der rhône … es fällt mir schwer; ob-
wohl das abschiednehmen zu meinem leben gehört
wie das träumen, allzeit


(tu te rappeles? je ne voulais pas retourner. jamais)