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[ mauerfarben ]

Sonntag, Februar 20th, 2005

– one through one –
 

one through one, hindurchgeschaut, vorbei: mauer-
farben. es sind nicht fragen, die mich quälen, es ist
dies schweigen, das erinnerungen tonlos macht. film
ohne farben: wo gelebt und wann? ‚warum‘ will
niemand fragen; ich, für meinen teil weiss: un-
romantisch war’s, gewiss. coitus interruptus, siebter
treffer: ich

one through one, vorbei geschaut, hindurch: bitte-
schön, was bleibt, wenn auf den punkt geschaut wird?
ja. wir fragen lieber nicht; zu deprimierend ist das
leben aller nachbarn, falls wir nicht weiter schaun, als
nur auf den moment, da sie die ausgangstür des
supermarkts passieren, elektrisch auf- und zuge-
schoben, hinauskomplimentierend ohne laut: die
nächsten bitte! früher, ja früher schwangen türen
auf und zu mit schellen oder glockenklang

one through one, angeschaut, selten, zu selten, ja;
sofern die fragen sich verschweigen, fällt uns das
schauen leichter, dran vorbei. es stellen sich die
fragen nicht – die wir vergessen, wie den ersten
blick, das erste zittern und den ersten herbst, den
wir begrüssten, als vereinsamende zeit – vorgegeben:
wir müssen uns ertauben. der morgen wirft den
vorwurfsmantel über und besetzt das bad, der
abend zieht zurück sich in empfindlichkeit; es ist ein
vorurteil, dass nur die frauen litten, an unpässlich-
keiten aller art, an sehnsucht, die in bitterkeit
heranwächst zum skorpion, der sich den stachel
selbst eintieft: ich werde alt und räche mich
an dir, geliebte

one through one, nun bin ich scheissenalt und traue
langsam mich, auch morgens in die augen mir zu
schaun; es hat doch seine zeit gebraucht, bis ich
gelernt, bis ich verstanden habe, was trotz aller
salti unveränderbar, auch nicht durch flucht in wilde
phantasien, durch namensgebung nicht, durch hin-
gerückte ohren nicht, nicht andre lebenslügen, nicht
in vivo, jedenfalls: das eigne sein. die nase, die der
vaters gleicht – verflucht, das alte stück! – verliert an
wirkung, irgendwann; ich mag sie, weil sie nicht mehr
wegzuwünschen ist. das klingt banal? es ist. ich
mag den grauen nachbarn, wie er durch die türe
schleppt, an seinen tüten hängt, die stöckelsohle an
der strassenkante bricht – ich nehme seine alltags-
abenteuer als die meinen und freue mich am altern
deiner augen, die ich liebe, mehr und mehr; ein
wenig, glaube ich, auch um des alterns wegen
 

foto: heidelberg, 30. januar 2005