Archive for 2005

[ bericht vom g8-gipfel ]

Montag, Juli 4th, 2005

„(…) heute fand eine grosse demonstration mit mindestens 200.000 menschen (laut radiomeldung) statt, aber wir haben eine krise bekommen angesichts all der weiss angezogenen leute von ‚make poverty history‚. das war eher ein grosser volksausflug, denn ein protest. alle mit in china hergestellten weissen armbändern, flaggen oder t-shirts, unterwegs in einem kaefig. wie eine herde schafe

der hammer war eine sozialisten-gruppe, die merchandising-produkte anbot. sie verkauften beispielsweise zum preis von einem englischen pfund ein rotes armband mit dem slogan ‚make capitalism history‘. wir haben sie ausgelacht – sie haben das aber nicht verstanden

die deutsche antifa hat sich durch eine chaotische aktion hervorgetan und ist daraufhin eingefahren (…)“

(per email aus edinburg, 02. juli 2005)

na fein

der ‚widerstand‘ zeigt sich (mal wieder)
von seiner konstruktivsten seite

nicht kotzen. durchhalten


[ und wo war der staatsanwalt? ]

Sonntag, Juli 3rd, 2005


 


„das kreativitätspotential des polizeilichen
gegenübers ist unerschöpflich“


aigner, polizeidirektor im bgs
(am 23. september 2004)

 

eben
 

und wie war das noch, herr staatsanwalt? sie glau-
ben, ich versteckte mich vor ihnen? schätze, sie
haben da was nicht recht verstanden …

daher habe ich am heutigen tage ihrem hohen
hause einen besuch abgestattet. sie, herr staats-
anwalt, waren, sofern anwesend, unter den vielen
gleichförmigen nicht auszumachen

ich hingegen war, sofern ich die blicke ihrer
zahlreichen staatsbüttelnden kollegInnen richtig zu
deuten vermochte, nicht zu übersehen

entgegenkommend, wie ich stets zu sein bemüht
bin, habe ich mich sogar von ihren kollegInnen
fotographieren und ‚erkennungsdienstlich behandeln‘
lassen, damit ihnen die erkenntnis in zukunft leichter
fallen möge
 

ach, übrigens. sie sollten den mitgliedern des
‚polizeimusikkorps‘ diesen sachdienlichen hinweis
dringend weiterleiten, denn es klang furchterregend:

kunst und staat passen einfach nicht zusammen
 

scan: ‚erkennungsdienstliche behandlung auf
historischem stuhl‘. kriminalpolizeiwerbekarte
erstellt am ‚tag der offenen tür‚ in der
polizeidirektion heidelberg, am 03. juli 2005


[ übellaunig ]

Samstag, Juli 2nd, 2005

… [ (m)eine bitte um geduld ]

es ist unfair. es nervt. es
hält auf, unnötig, wie ich
meine. es langweilt mich
schmerzhaft; aber vor al-
lem bohrt das gefühl, dass
ich ein ziel aller denkbaren
katastrophen zu sein schei-
ne, die nichts andres sind
als katastrophen für mich
– für euch, erzählt, vielleicht
ein witz. nicht für mich

wenn ich sage – nicht viel
mehr als das – dass unsere
lang erwartete cd ‚gestern
war es‘ aufgrund einer sol-
chen nicht erscheint, vor-
erst jedenfalls
, dann gibt
es kaum mehr dazu zu sa-
gen, als: nicht jetzt. nicht
in zwei wochen. nicht in die-
sem monat

nein, wir haben nichts falsch
gemacht, nein, wir können
die gründe, die uns genannt
wurden, nicht nachvollzieh-
en, nein, wir werden diesen
kontakt nicht aufrecht erhal-
ten. fakt ist: das geschäft ist
geplatzt, der auftrag stor-
niert, der geflügelte hirsch
ist unsanft auf dem bauch
gelandet

fragt ruhig nach meiner lau-
ne: sie ist allerübelst. aber
ich versuche, das beste aus
der neuen situation zu ma-
chen und verspreche: das
album kommt. so bald wie
möglich

und ich bitte euch hiermit
also erneut um geduld


[ rouge des castilles ]

Donnerstag, Juni 30th, 2005

… [ gestern ist heute ]

der tag begann mit einer taube auf dem klo, ge-
nauer: ihrer landung im geöffneten fenster. mein
morgenmurren klang überzeugend und sie flog
fort. ohne gurren

alles andere hätte mich überrascht


„leider habe ich keine ahnung, ob und welche e-mail-
adresse sie benutzt; du kennst doch meine aversion
diesbezüglich. ich würde die alte nehmen“

ja, ich würde auch gerne die ‚alte‘ nehmen. das
ist das problem. es füllt mich aus. natürlich füllt
es mich aus: heute ist gestern

natürlich hat das gewitter nur einen teil der ver-
gangenen nacht ausgefüllt, das denken und das
wirre träumen die anderen. natürlich. natürlich
warte ich nunmehr auf antwort. diesen zustand
kenne ich seit jahren, es ist mir ein natürlicher;
ich bin ein gedankenstofftier, hingesetzt zwischen
alte kissen, wartend

wenn sich in den letzten jahren etwas nicht
verändert hat, dann dies: das warten auf dich

allerdings kann ich besser damit umgehen; es
ist ein teil von mir geworden. ich habe mich da-
ran gewöhnt. so wie ich mich an mein gesicht
gewöhnt habe, an meine augen, meine stimme
an die winterblicke der leute, auf meine blossen
füsse starrend. ich habe mich daran gewöhnt
dass menschen fahrradhelme aufsetzen, daran
dass sie an roten fussgängerInnenampeln er-
starrt sind. dass sie heiraten. dass sie in jeder
neuen beziehung neue kinder kriegen. dass sie
paarweise auftreten

dass der weg zum briefkasten, in dem die tages-
zeitung steckt, einen grösseren zeitraum ein-
nimmt, als jener, sie zu lesen. dass sie plappern
und palavern über gegenstände, die sie nicht
fassen; dass sie, falls sie dies merken sollten,
auf die ‚funktion‘ verweisen, die sie zu krönen
scheint: mama, papa, opa, frau professor – es
ist zum speien. eigentlich

aber ich habe mich daran gewöhnt, wie an einen
schlechten geschmack, der in der luft liegt, einen
geruch, der zu schmecken ist: gutbürgerliche
küche. wobei der wortklang täuschen kann – mit
‚goutieren‘ hat dies ebenso wenig gemein, wie
‚menschenrechte‘ mit dem universalen recht auf
sein

es sei

wenn die maschine gleichmässig dampft, die
temperatur eine kritische grenze nicht über-
schreitet, höre ich am telefon sagen, kann ich
weiterfahren ohne sorge. so höre ich und pla-
ne die weiterfahrt. ohne sorgen

really?


[ email an peryton ]

Mittwoch, Juni 29th, 2005


„Ich höre gerade das achte von den Liedern, die du mir als
„Zwischenstand“ hier gelassen hast… Jenes hast du mir
vor langer Zeit auf dem Bett sitzend vorgespielt. Es hat
mir damals schon gefallen. Und jetzt erst recht.“

wäre ich arrogant, mein lieber freund, würde ich
sagen: ‚du hast einen guten geschmack‘

du hast einen ausgezeichnet guten geschmack


[ im platanenhain ]

Dienstag, Juni 28th, 2005

wir haben von dir
geredet, vorgestern. weit entfernt

heute bin ich hier, in deiner nähe. du
wirst es wissen

im platanenhain die kühle der sommer-
schatten unter mediterranem laub at-
men. hier findet mein kameraauge das
motiv, hier phantasiere ich die ruhe
boule spielender alter, hier erwarte ich
dich im sandknirschen jeden schrittes


[ ein gruss von unterwegs ]

Mittwoch, Juni 22nd, 2005

diesen wind würde ich dir gern schicken, nein, vielmehr
was darinnen liegt an geruch, an leiser bewegung, an
lebensmusik, einer art zufriedenheit, die auf sich selbst
verweist

diese fracht des windes mag ich dir schicken, der weit
übers land gestrichen kommt, eines fremden, eines
weisen, eines ewig reisenden; einer jener, denen sich
tore entgegenspringend öffnen, die unbestimmte
sehnsüchte wecken ohne zu versprechen, einer jener
die immer andernorts zuhause sind und folglich nie
‚auf wiedersehen‘ grüssen, die stets eine ahnung von
zukunft zurücklassen, wie bitternis ahnendes zucken
im lächeln jung verliebter


[ ‚kieler woche‘ . eine polemik ]

Montag, Juni 20th, 2005

augenzuck, schulterblick, hirnfick; it’s all right. it’s
all europe. all flags pulled up. alle wimpel aufgezo
gen. an der rah ein rotes licht: kieler woche!

drei schritt vor, vorbei an kindereiskatastrophe, s
peckpilzen-in-superschnell, pommsfritz-mit-labsk
aushaube, frisch gekotzt, drei schritt atemberaubt
im achselkatakombenzauber vergessener körperge
wölbe, drei schritt hinaus aus scherbenhaufen, ton
getrümmer, friss-dein-glück-geblinker – ein mensch
enfest, das sich vermeiden lässt

blicke von links, von vorn, von hinten – durch mei
ne roten zotteln blinkt die sonne auf, bahnt mir d
ie stete schneise vor. und ich halte mein kamera
auge dagegen, banne fest, choreographiere zum
bild der tanzenden satten: eine stadt schwappt a
n currywurststränden, ankert an ewigen fässern u
nd holt über, schunkelt und wippt und stampft un
d kaut und gröhlt und haut, versöhnt sich mannh
aft und versenkt den blick in dekoltees, die bis zu
m arsch göffnet sind, der hitze wegen und der sp
altensalamander, sie lässt zu scherben der unach
tsamkeit zerbrechen, was von klaue oder maul ni
cht oder nicht mehr gehalten

hier sind die menschen unvorstellbar glücklich


[ fiebernächte ]

Samstag, Juni 18th, 2005


 

in den nächten brennt das fieber ungehemmt
– fast, dass ich ein knistern hören kann, ein
flammenlecken zwischen haut und knochen
gewittergrollen hinter augenspielen ohne rast

dass du, mir liebste, mich durch diese träume
führst, ist ohne sinn. lustvoll. schmerzvoll. fragen-
voll. da wach ich auf und wünsche, meinen pinsel
so zu führen, dass du bleiben kannst: es gibt
keine töne für die linien deines leibes; nur für
den schmerz, für meine sehnsucht find ich
mass und klang

vor sonnenaufgang sah ich, dass du dich
entschlossen hast, zum mann zu werden. erst
hab ich nicht verstanden, was dich treiben kann
– erschrocken war ich, war gekränkt, verloren
bis mich der taumel ausliess, an mein ufer warf

wer wiegt die möglichkeiten ab, ob wir als mann
ob wir als frau uns lieben? mir wär es gleich: ich
nähm dich ebenso als meinen mann fürs leben

da bin ich aufgewacht, erwachsener, entschieden
weiter ausgebrannt, verhöhlt
und fühlte mich

einsam
 

foto: kiel, 05. april 2005


[ es tut sich was ]

Mittwoch, Juni 15th, 2005

nein, ich bin immer noch nicht wieder gesund; aber es
hat sich eine ganze menge ereignet – und tut sich noch –
auch wenn ich davon (noch) nicht berichten konnte. hier
eine zusammenfassung:

– die peryton-seite ist endlich aktualisiert – zumindest in
teilen. es ist ein anfang

– am sonntag waren die tangermünder kleinstadtträumer
gemeinsam mit peryton in den raisdorfer honky-
studios, um einen song aufzunehmen

– am vergangenen montag wurde anlässlich der zum
13ten jedes monats regelmässig stattfindenden ‚ki-bar‘
in den räumen der kieler künstlergemeinschaft ‚k34‘
die ausstellung von mandy gagel & susi mehl eröffnet

für musikalische begleitung sorgten die kleinstadtträu-
mer
. ihr auftritt wurde technisch unterstützt und auf-
gezeichnet vom offenen kanal kiel

zwei tage später: die künstlerinnen sind wieder abgereist

ich könnte erleichtert durchatmen, weil alles (doch noch)
zu allerhöchster zufriedenheit geklappt hat, weil alles so
viel interesse und zuspruch fand, ich könnte endlich die
beine auf den tisch legen und die versäumten
nickerchen nachholen

… wäre da nicht noch diese veranstaltung:

– ‚tierschutz? tierrechte? tierbefreiung?‘ – eine
podiumsdiskussion, veranstaltet von tibik, einer kieler
tierrechtsgruppe. heute abend, 15. juni 2005, hörsaal
cap 3, raum III, 19:30 uhr


[ inventur ]

Mittwoch, Juni 8th, 2005


 

ich huste noch, ich krächze manchmal. ich
räume auf und um, staple hin und weg, sor-
tiere altes, finde, verwerfe, repariere, bringe
neu in form und verwerfe dann doch, manch-
mal. ab morgen wieder auf der autobahn, will
alles wohl geordnet sein: gebügeltes cha-
os, seitenscheitel, rüschenkragen und man-
schetten … es wird zeit, endlich wieder los-
zufahren

so auch dieser text:
herausgeblättert und in einem anfall profa-
ner nostalgie nicht weggeknüllt, sondern
umgeschnitzt in meine heutige schreibe

nein, das foto hat damit nix zu tun; aber
ich mag es sehr. zudem wartet das eitle
stück schon länger, drängelnd, sich hier
im tagebuch zu präsentieren

na dann: bühne frei für den sommer
 

foto: „m“. tangermünde, 26. märz 2005


[ tretbootfahrn ]

Freitag, Juni 3rd, 2005

[ drama in fünf traurigen bildern ]


(im hintergrund eine schlossruine am bewaldeten berg-
hang, über der silhouette einer altertümelnden stadt
hängend. davor ein fluss, sanfte wellenstösse, brücken-
überspannt. frühabendsonne von rechts. drei enten, ein
schwan. im rücken des betrachters / der betrachterin
liegen uferwiesen)

– I –

gequälter blick, doch duldsam noch: kind strampelt tret-
boot wellenwärts, weissblau das boot, flussauf (nach
links)
. mama sitzt nebenan, sitzt rechts, sitzt unbe-
wegt bis auf die unablässig zermahlende spalte ihres
mundes. (immer schön in sichtweite der anlegestelle
bleiben. nichts riskieren. pass auf, ein schwan.) oder
aber sie gehört zur junggetrimmt-vorangelebten gene-
ration? gleichwohl erklärung wie entschuldigung wäre
dies für das kastanienhaar einer ausgelebten rapunzel


stimme aus dem off:
machen dauerwellen erbkrank?

– II –

zwei kinder knietief, ufernah in der kloakendünung wa-
tend. mama sitzt landwärts wachen blicks, erhöht. sie
ruft zur ordnung. sie gemahnt vorsicht. sie fordert rück-
sicht, sie fordert rücksprache ein. sie streitet nicht, sie
argumentiert, zuweilen durchaus etwas streng. sind an-
gedrohte zwänge liebevoller, ehrlicher als in-die-fres-
se-haun, frau ich-habe-meine-bücher-gut-gelesen? sie
schiebt ihre brille auf dem nasengrat aufwärts richtung
augenbrauen. auf einen ersten blick hin sah sie durch-
aus sympathisch aus

– III –

papa radelt. blauweiss, flussauf. sohnemann darf das
steuerrad halten und hält es stolz – bwoaah! – wie
manchmal an sonntagen in papas auto. der papa sorgt
dafür, dass seine richtung stimmt. doch beim verkehr
von vorn wirkt papas hohe stimme angestrengt, bis er
eingreift, endlich, das heisst: ins lenkrad. stille. ruhe …
und zurücklehnen. seine sonnenbrille spiegelt metallic-
blau; er sieht toll aus. so überlegen. da seufzen die
alleinerziehenden sitzmamas am ufer leise auf. ja, er
weiss das

– IV –

(ein rap)

kanonendampfer dampft flussab
einer von den schnellen
der macht wellen
dieweil ich starre
ganz bizarre
über das ufer hin
und ich sitz drin
arsch nass und das sackbüro
(block, stift, handy, usb)
taschentuch und hemd und buch
‚über die bildhauerei‘, hans wimmer (piper 1986)

– V –

papa am tritt, flussauf, weissblau. mama rechts neben-
dran, lacht vornüber. kind reisst rhythmisch am steuer-
rad. papa stur geradeaus. sein jägerblick schweift ab
und an über die uferwiesen, linkerhand. papa lacht nicht:
zurück in den hafen und schluss mit lustig. scheint nicht
die wellen zu bemerken, vor denen der/die betrachtende
– klug geworden – abstand genommen hat


(ein braunrotgelber vorhang fällt. kein applaus. b i t t e:
k e i n e n! applaus)


[ europa rüstet auf ]

Freitag, Juni 3rd, 2005

… [ und ihr macht mit ]

„wer von euch kennt denn inhalte der sogenannten ‚europäischen verfassung‘?“ hatte ich hier gefragt. einige anmerkungen von mir dazu, kurz gehalten, denn ich kann; ich muss davon ausgehen, dass ihr, denen es wichtig ist, als wahlaktive, wahlmündige ‚eu-bürgerInnen‘ aktiv am entscheidungsprozess eurer regierung(en) beteiligt zu sein, nicht auf meine provokationen oder belehrungen angewiesen seid, da ihr ausreichend informiert wurdet oder aber euch selbständig umfassend informiert habt. und dass ihr daher mit interesse verfolgt, wie die europäischen eliten mit der ablehnung der eu-verfassung durch das französische sowie das niederländische referendum umgehen, wie weitere negative abstimmungsergebnisse durch das absetzen bereits geplanter referenden (aktuell: england, irland) vermieden werden sollen. jaja: (vor)gelebte demokratie

ich muss also eigentlich davon ausgehen, dass ihr darüber informiert seid, dass die eu-verfassung die aufrüstung, die militarisierung von politik und wirtschaft, sowie mögliche kampfeinsätze unter ausschluss der kontrolle durch den europäischen gerichtshof festschreibt. daher sind meine nachfolgenden verweise auf auszüge aus der geplanten eu-verfassung vollkommen unnötig. veraltete informationen. wertloser scheiss. spam. überflüssig, ärgerlich. entschuldigt bitte – dennoch – meine penetrierende beharrlichkeit

artikel I–40
aufrüstungsverpflichtung per eu-verfassung: „die mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen fähigkeiten schrittweise zu verbessern“

artikel I–40; III–205
nationale parlamente sowie das europäische parlament werden ausgehebelt/umgangen: über militärische einsätze der eu entscheidet der eu-ministerrat

artikel I–40
ein rüstungsministerium soll eingerichtet werden: „europäisches amt für rüstung, forschung und militärische fähigkeiten“

artikel III–210
neue militärische schlagkraft durch einplanung zukünftiger angriffs- und sogenannter präventionskriege durch „kampfeinsätze“

artikel III–282
die geplante eu-verfassung sieht den ausschluss gerichtlicher kontrolle durch den europäischen gerichtshof bei sicherheitspolitischen beschlüssen vor


[ nur dünnes bier in brd ]

Mittwoch, Juni 1st, 2005

auszeit

krank bin ich, siech und am ende, seit sonntag-
nacht. daher beantworte ich keine emails und
bringe keine literarischen ergüsse zu papier, ob-
wohl fieberwahn manch interessante erkenntnis
in sich trägt

dennoch bin ich in der lage, am radio die aktuel-
len beispiele dafür zu verfolgen, wie demokratie
funktioniert: nämlich immer am willen, an der
‚macht der bevölkerungen‘ vorbei. immer. und
immer dreister. aber ich muss deshalb nicht in
empörung verfallen, die strassen und die (schein-)
parlamente stürmen, ich nicht. seltsam nur, dass
es all die anderen, die immer so pathetisch auf-
blasen, ‚demokratie‘ müsse verteidigt werden, e-
ben das nicht tun. wahrscheinlich haben sie im-
mer noch nicht verstanden, dass ein synonym von
‚unbeweglich bleiben‘ eben ‚regiert werden‘ heisst


in deutschland gibts kein plebis-
zit; hier gibts nur dünnes bier

alles nix neues. kann ich also in ruhe liegen blei-
ben und mich gesund schlafen. prosit, genossen


wer von euch mitlesenden kennt eigentlich die in-
halte der sogenannten ‚europäischen verfassung‘?


[ vor den lügen ]

Montag, Mai 30th, 2005

mit jedem schritt heran verzauderte mein mut
auf rankten die dornen des verzagens, dass ich
dich kaum berühren mochte, dass ich – so glaub
ich – ohne lächeln dich begrüsste, weil ich ver
gessen hatte, wie; verständlich, dass du mich
hast gehen lassen ohne einen letzten gruss. ich

flammte eine kerze im geheimen an, ich schwieg
uns fort, um nicht herauszuschreien: aber hier …!

inzwischen kann ich das. inzwischen glaub ich
meinen lügen selbst am besten


[ rosenhöhe IV ]

Sonntag, Mai 29th, 2005

es ist nicht so, dass ich zerrissen wäre – ist es n
icht?

zu viele menschen liessen mich erneut erschau
dern; so konnte ich nicht mit dir ziehn, verschle
ppte mich stattdessen in die gassenwüste, sang
gegen wände, bis die stimme brannte auf und b
rach

dann fängt der parkweg meine seele ein, führt
über roten, kies, führt dreiundvierzig stufen mi
ch bergan; ich weiss wohl, dass am ende dies
er prozession kein tabernakel mir, kein gipfelkr
euz gnade verspricht; der laubvorhang fällt vo
r dem sonnenspiel, entlässt das publikum in ab
endglut; am teich palavern, aufgeschreckt von
späten schritten frösche, die bäuchlings plump
send wassern, die wellenkreise zirkeln, die am
viereck brechen

tagesbilder schwappen gegen meine füsse, sch
nappen den blossen zehen nach, denke ich und
schüttle ameisen zurück in die entfernung; der
himmel gelbt, warme böen zittern vogelstimme
n aus, flugzeugbrummen, den röchelatem einer
nahen stadt

am gipfel bin ich, dennoch nicht entschieden, w
ie es weitergeht


[ sonnenjunkie ]

Mittwoch, Mai 25th, 2005

heute

kein schreibenmüssen. kein
zoomen. keine terminabsprachen. keine
autobahn. kein gedanke an das erledigte

kein blick nach vorn

ich beobachte kreise und punkte hinter geschlossnen
lidern, lausche schritten und sirenen, ahne den
raum, die schatten hinter rotem flimmern, höre blätter
fallen wie flügelschlag

höre ein fahrrad stürzen samt kind und panischer
mutter, sitze irgendwo im park zwischen arbeits-
und drogenjunkies unter einer maiensonne, als
einer von ihnen


[ asyl ]

Mittwoch, Mai 18th, 2005

heute ist der letzte tag vor dem geplanten erscheinungstermin unserer cd ‚gestern war es‘

und weil das gemeinhin so getrieben wird, in der spiessbürgerlich-guru-zentrierten ‚adventszeit‘, versüssen auch wir euch das warten auf das (musikalische) grossereignis mit einem weiteren titel

geschrieben im herbst 2003 nach einigen besuchen der züricher ‚gassechuchi‘, voller bewunderung über die dort vorgefundene solidarität und unter dem anhaltenden eindruck der verblüffung, dass es möglich war, am rande des stadtzentrums einer so gewichtigen stadt wie ‚zureich‘ einen anarchistischen freiraum zu verwirklichen, in einer ersten version eingespielt am vergangenen sonntag in den raisdorfer honky-studios

‚asyl‘ (konzept/premix) (ogg; 3,2mb)


[ schreibort kiel ]

Freitag, Mai 13th, 2005


 

ich bin ein unterwegsschreiber, ein im-kopf-
schreiber, ein beim-autofahren-auf-dem-lenk-
rad-schreiber, ein ins-diktiergerät-schreiber
(oder auf einen kassenzettel), ein im-traum-
und ein aus-dem-traum-heraus-schreiber

in bestimmten städten bin ich ein caféhaus-
schreiber

dort, zum beispiel, das kleine café ‚exlex‘, an
der strassenecke neben der roten ampfel:
dort entstanden verschiedene texte und
chansons wie „harte tage“ (mp3; 5,9mb)
oder „und es gibt doch (das peryton)“ (mp3;
4,1mb)
oder auch „ne tirez pas!“ (mp3; 8,1mb)
 

foto: schreibort (in) kiel. 05. april 2005


[ camouflage ]

Donnerstag, Mai 12th, 2005

– oder – [ nur wer sich treu bleibt, wandelt sich ]

wenn ich jetzt stehenbliebe, hier
im augenblick erstarrte, sähe mich niemand
mehr, weil ich im lauf erwartet bin, meine kreise
ziehend für den seelenraub, brandschatzend in
euren herzen, verwundend, wo ich mauern finde
stürzend, wo himmelssäulen knäste halten; es
reicht das staubkorn nur, das mit der unruh
zeit zum stehen bringt

wenn ich hier stehenbliebe, jetzt, still, dann wär
ich unsichtbar in ihrer starren stummheit – und wäre
doch gefangen: nur wer sich treu bleibt, wandelt
sich

ich bleibe nicht; natürlich nicht:
ich nehme mir die freiheit, zu singen